Der Clan der Wildkatzen
eine ganze Weile lang nicht mehr blicken lassen, mochte dort noch so viel Beute locken.
13
Entrammelt
D ie Stunden vor der Dämmerung waren für Katar die schönsten der ganzen Nacht. In seinen Augen waren sie die Stunden der Freiheit. Außer dem Nachtwächter der Großfüße, der sich bei seinen langsamen Runden auf einen Holzstock stützte, schliefen die meisten Menschen. Manchmal fuhren Autos vorbei, doch Katzen hörten deren Lärm schon aus einer Meile Entfernung, und nachts konnte man ihnen viel leichter ausweichen als tagsüber. Dann wagten außer den kühnsten Veteranen nur vereinzelte Katzen die Überquerung der Straße.
Die wenigen Raubtiere, die Katar neben den Großfüßen fürchtete, schliefen zu dieser Zeit. Selbst die schärfsten Wachhunde ruhten sich aus und bellten nicht. Die Kanalschweine, deren Laune so wechselhaft war, suhlten sich im stinkenden Schlamm, und die Milane schlummerten auf ihren hohen Ansitzen. Nizamuddin war jetzt sein Königreich und Katar genoss die Runden durch die Dämmerung.
Wie immer beachtete er den Regen kaum, doch als er eine trockene Stelle fand, war er trotzdem froh und schüttelte das Fell aus. Die Zweige des großen Niembaums und der verschlungenen Tempelbäume hielten eine Menge Regen ab, und der Boden unter Katars Pfoten war zwar feucht, aber nur ein paar leicht zu umgehende Flecken waren richtig nass. Seine Laune wurde deutlich besser.
An einem Baum blieb er stehen, lehnte sich an den Stamm und rieb Schwanz und Flanken ausgiebig an der Rinde. Dann kratzte er sich den Bauch und streckte alle viere von sich, bis sich alle Sorgen um Southpaws Erziehung und die Müdigkeit nach einer Nacht auf Rattenjagd verflüchtigt hatten.
Ein Frosch hüpfte über den Pfad. Nachdem sich Katar vergewissert hatte, dass ihn niemand beobachtete, gab er dem kätzchenhaften Drang nach, ihm hinterherzuspringen. Der Frosch hüpfte und hüpfte, und den ganzen Weg über den Pfad, der die Lichtung durchschnitt, tat Katar es ihm gleich. Glücklicherweise konnten ihn dabei die anderen Katzen nicht sehen. Dem Kater bedeutete seine Würde sehr viel, aber manchmal vermisste er auch den Spaß der Kindheit.
Erst als der Frosch mitten in einen neuen Tümpel platschte, fiel Katar auf, dass er den Schrein verlassen und beinahe das Grundstück des Verrammelten Hauses erreicht hatte.
Er zögerte. Nach Southpaws Erfahrung hatten er und die anderen Katzen einen weiten Bogen um das Gebäude gemacht. Der Kater war ein kühner Kundschafter, der am glücklichsten war, wenn er durch das Labyrinth von Dächern und Balkonen streifte. Seine Neugier darauf, wie andere Wesen außerhalb des Parks lebten, kannte keine Grenzen. Aber das Haus löste Unbehagen in ihm aus und im besten Fall kribbelte ihm nur das Fell. Während er nun witterte, rümpfte er die Nase. Etwas Feuchtes und Hässliches überlagerte den Geruch des Regens. Er nahm die Rastlosigkeit der Katzen im Haus wahr und zuckte mit der Nase angesichts der Ausdünstungen des kranken Großfußes.
Dann hallten auf einmal Geräusche durch die stille Nacht. Im Verrammelten Haus stöhnte ein Tier und stieß mit tiefen, kehligen Rufen hervor: » Miiiiaaaaaauuuuuuu!« Andere Stimme fielen ein und Katar lief es kalt den Rücken hinunter. Die schrillen Rufe verkündeten schwere Sorgen. Die Unbezähmbaren jammerten, aber Katar verstand den Grund dafür nicht.
Hoch über dem Haus in einem Baum schrie alarmiert ein verschlafener Drossling und ein aufgeschreckter Maina antwortete ihm mit lauten Rufen.
Katar zog sich langsam zurück. Er wollte sich gerade bei Hulo und den anderen Katzen der Umgebung einklinken und sie bitten, ihm Gesellschaft zu leisten und sich anzusehen, was hier los war, als ihm der Geruch von nassem Fell in die Nase stieg. Der Kater fuhr herum und stellte einer Maus, die in Richtung der Hecke huschte, die Pfote in den Weg.
Die Blicke von Jäger und Beute trafen sich. Aber die Maus hatte das Fell gesträubt und war mit etwas ganz anderem beschäftigt als damit, von Katar gefangen zu werden.
» Das riecht nicht richtig«, murmelte sie vor sich hin. » Nein, es riecht schrecklich falsch.«
Der Kater wollte gerade antworten, doch in dem Moment wurde die ruhige Nacht von Lärm erfüllt. Hinter der Tür des Verrammelten Hauses begannen die Katzen wieder zu klagen und das tiefe Jaulen zerrte an Katars Nerven. Er zuckte zusammen, und die Maus nutzte die Gelegenheit, um erfolgreich zwischen den breiten Blättern der Hecke zu verschwinden.
Das Klagen
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