Der Club der Teufelinnen
Cushman Ihnen auch gesagt, daß er auf den Aktienmarkt geht?«
»Nein.« Überrascht spürte Aaron, wie ihm der Schweiß auf die Stirn zu treten begann. Wieder fragte er sich, wer dieser Typ eigentlich sein mochte. »Wäre das nicht ungesetzlich, Mr. De Los Santos?« Er konnte ihn nicht ausstehen.
»Jeder macht mal Fehler«, entgegnete dieser.
Bildete er sich das ein, oder war der Typ wirklich wütend auf ihn?
»Sie haben also nicht schon vor dem September auf die Rücklagen für Ihre Tochter zurückgegriffen, um Morty-Aktien zu kaufen?«
Aaron spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoß. Er konnte kaum glauben, was er da zu hören bekam. Woher, zum Teufel, wußte dieser Typ von dem Treuhandfonds? Davon wußte niemand außer Annie und Leslie. Leslie hatte bestimmt mit niemandem darüber geredet. Sie war zwar wütend, aber das wäre der reinste Irrsinn. Ob Annie ihm diese Scherereien eingebrockt hatte?
»Mr. Paradise?«
Verdammt, irgend etwas mußte er sagen. Reiß dich zusammen. »Ja.«
»Sie haben am dritten September sechsundsiebzigtausendfünfhundertsechzig Anteile erstanden?«
Aaron nickte. Er war durchgeschwitzt.
»Sie hatten also zuvor keinerlei Aktien gekauft, obwohl jeder, der das getan hat, einen netten Gewinn verbuchen konnte. Sie dagegen kauften die Aktien, kurz bevor der Kurs dieser Aktien abstürzte. Wieso?«
»Wieso? Wieso habe ich mein letztes Hemd verspielt? Seit wann ist ein Verlust auf diesem Markt ein Zeichen für den Austausch von Insider-Informationen?«
»Von Insider-Informationen habe ich nichts gesagt.«
»Aber genau das wollen Sie mir doch unterstellen, nicht wahr? Nun, dann müßten meine Verluste Sie eigentlich vom Gegenteil überzeugen. Insider verlieren nicht.«
»Oh, nicht unbedingt. Die Sache zeigt vor allem, daß etwas nicht so gelaufen ist wie vorgesehen. Ein großer Verlust oder ein großer Gewinn – beides kann ein Hinweis auf Insider-Aktivitäten sein.« De Los Santos musterte ihn mit unbewegtem Gesicht.
»Auf jeden Fall habe ich Ihnen alles gesagt, was ich weiß.« Aaron bemühte sich, ruhig zu bleiben und ein unschuldiges Lächeln zustande zu bringen.
»Danke, Mr. Paradise«, antwortete De Los Santos schließlich.
Zu Aarons übergroßer Erleichterung stand er auf.
»Es könnte sein, daß ich Sie noch einmal anrufen muß.«
»Ganz nach Ihrem Belieben.« Aaron erhob sich ebenfalls. Nichts wie weg mit diesem Typen.
»Danke.« De Los Santos wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal zu Aaron um. »Ach, übrigens, Sie haben doch nicht etwa vor, in der nächsten Zeit das Land zu verlassen?«
Aaron warf ihm einen ungläubigen Blick zu. Das mußte ein Witz sein.
»Nein …«, sagte er zögernd.
»Falls Sie irgendwelche Reisen vorhaben, informieren Sie uns bitte, ja?«
Sie schüttelten sich die Hände, und Aaron bemühte sich, seinen Händedruck fest wirken zu lassen, aber er konnte nicht verhindern, daß seine Handflächen feucht waren.
Höflich begleitete er den Typ zur Tür. Dort wartete er, bis er ganz verschwunden war, dann ging er zu seinem Schreibtisch zurück, ließ sich in seinen Sessel fallen und preßte die Hände auf die Augen. Er war erschöpft und voller Befürchtungen, mehr als damals, als er das Haus seines Vaters verlassen hatte. Er fragte sich, ob man herausfinden würde, daß Morty ihm seine Verluste erstattete, falls er sie ihm erstattete. Von Mortys Rechtsanwalt hatte er gehört, daß alles in bester Ordnung sei, aber aus irgendwelchen Gründen wurde er immer noch im Gefängnis festgehalten. Aaron kam sich in die Ecke gedrängt vor.
Wieder ging er hinüber zu dem Schrankspiegel. Das Gesicht, das ihm da entgegenblickte, sah genauso mies aus, wie er sich fühlte. Alt sah er aus, und die konservative Kleidung, die er trug, paßte überhaupt nicht zu der nächsten Besprechung. Er sah aus, wie ein Verlierer.
Aaron fällte eine schnelle Entscheidung, stand auf, sagte seiner Sekretärin, daß er gleich wieder zurück sein würde. Zu Fuß ging er die paar Ecken zur Fifth Avenue, zu P. Smith, dem modischsten Herrenausstatter in dieser Gegend.
Er holte tief Luft. Danach würde er den anderen seinen Plan vorlegen. Er dürfte die Belegschaft überzeugen. Schließlich hatte er das Talent, und er hatte sie eingestellt. Sie alle waren ihm verpflichtet. Doch wer kannte sich schon mit dieser Generation aus? Wer mochte wissen, was aus Loyalität und Pflichtbewußtsein geworden war?
4
Ein Strohhalm
Im Bundesgefängnis in der Nähe des
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