Der Club der Teufelinnen
guter Grund für eine Hochzeit. Und er hatte noch andere Sachen gehört, die ihn an der Urteilsfähigkeit seines Vaters zweifeln ließen. Im Büro kursierten Gerüchte, daß sein Vater von der Polizei vernommen worden sei und daß er irgendwelche Teilhabergelder veruntreut habe. Chris wußte nicht recht, was er davon halten sollte.
Auf jeden Fall war ihm diese Feier zuwider. Das war keine echte Hochzeit. Weder Leslie noch sein Vater sahen glücklich drein, und was die Gäste betraf, so kannte er sie überhaupt nicht. Seine Großeltern waren nicht da. Niemand aus dem Büro war eingeladen worden, nicht einmal Jerry. Chris war sich nicht einmal sicher, daß Karen besonders gerngesehen war, aber ohne sie wäre er auch nicht gekommen.
Chris nahm Karen bei der Hand und schob sich auf den Ausgang zu. Seinem Vater gab er über die Köpfe der übrigen ein Zeichen und wies auf seine Uhr.
Er fuhr Karen nach Hause und dann weiter zu Ottomanelli. Doch bevor er eintraf, war es ihm beinahe gelungen, die Hochzeit seines Vaters aus seinen Gedanken zu verbannen. Er war wirklich froh, Annie zu sehen, als sie einige Minuten später eintraf.
»Gute Idee, das hier, Ma, auch wenn ich nicht ganz passend angezogen bin für ein Pizza-Restaurant.« Er blickte an seiner Smokingjacke herunter.
»Du sagtest, dir wäre nach einem ordentlichen Hamburger, und hier gibt es die besten in der Stadt. Und ich nehme eine Pizza, so daß wir beide zufrieden sein können.«
Chris nahm einen Schluck von seinem Bier und verkündete dann: »Karen und ich werden heiraten.«
Annie strahlte ihn an. »Ich freue mich für euch beide.«
»Bitte, Ma, mach jetzt nicht auf nett. Ich weiß, sie ist viel älter als ich und, na ja … Ich hätte gern deine ehrliche Meinung.« Er sah seine Mutter an, die erst nach einer kurzen Pause antwortete:
»Das ist eine Sache, die nur euch beide etwas angeht, Chris. Nicht mich oder sonst jemand anders. Ich möchte nur, daß du glücklich bist. Das Alter ist dabei nebensächlich, es sei denn, ihr wollt Kinder haben.«
Sie legte ihm ihre kühle Hand an die Wange. »Du bist glücklich, nicht wahr?«
»O ja. Ich liebe sie, Ma. Sie ist einfach großartig.«
»Das weiß ich. Aber wenn man dich so ansieht, möchte man es nicht glauben.«
»Also, ich komme gerade von Vaters Hochzeit.«
»Es scheint dir nicht besonders gefallen zu haben.«
»Es war scheußlich. Vor der Feier – ich nehme an, weil Alex nicht kommen konnte – war ich plötzlich der ›Lieblingssohn‹. Du weißt ja, wie Vater sonst über Alex spricht. ›Chris hat das gemacht, Chris kann das, Chris wird jenes machen …‹ einfach furchtbar.« Er blickte auf seinen Teller, den die Kellnerin gebracht hatte.
»Aber er ist stolz auf dich, Chris. Du weißt doch, wie froh er ist, dich in der Agentur zu haben.«
»Es ist sonst nicht seine Art. Es ist, als ob er mir wegen irgend etwas Honig ums Maul schmieren will.« Chris biß in seinen Hamburger. »Irgend etwas tut sich in der Agentur. Er hat sich geändert. Er ist nicht mehr beliebt bei den Mitarbeitern, so wie früher. Er tut so, als ob er die ganze Firma allein schmeißen würde, als ob sonst keiner eine Ahnung hätte. Er allein weiß alles. Er gibt viel zuviel aus, um neue Aufträge zu bekommen. Ich weiß nicht recht. Vielleicht liegt das auch nur an seiner Verbindung mit Leslie, daß er sich solche Primadonna-Allüren zugelegt hat.«
»Könnte man ihn nicht etwas zu bremsen versuchen? Ich glaube, daß die Agentur sehr gut läuft, wenn Aaron sich zurückhält.«
»Das wäre auch der Fall. Mit einem besseren Verwalter. Oder eben ohne Pa.« Chris wischte sich den Mund mit der Papierserviette ab und warf sie auf den Teller. »Die Leute beginnen, Parteien zu bilden, und ich kann mich nicht auf seine Seite schlagen, Ma.«
»Zuallererst mußt du dich für deine Seite entscheiden, Chris. Tu, was du für richtig hältst, auch wenn du ihn damit verletzt.«
»Ich habe Gerüchte gehört. Über Sylvies Treuhandfonds und irgendeine Untersuchung. Stimmt das, Ma? Hat Pa Teilhabergelder veruntreut?«
»Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber das glaube ich nicht. Er stiehlt nicht. Dein Vater ist wegen irgendwelcher Aktiengeschäfte in Geldschwierigkeiten geraten und hat sich etwas aus Sylvies Fonds geliehen. Aber er wird es zurückzahlen.«
»Ma …« Eigentlich wollte Chris seine Mutter damit nicht belasten, aber er mußte mit jemandem darüber sprechen. »In der Agentur braut sich etwas zusammen. Ich spüre das.«
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