Der Club der Teufelinnen
ihrem Abendtäschchen, zog ihren Paloma-Picasso-Lippenstift hervor und zog sich sorgfältig die Lippen nach, nur um ein klitzekleines Bißchen über die natürliche Linie hinaus. Trotz ihrer Sorgfalt zog die Farbe in die winzigen Fältchen, die, fein wie Spinnweben, von ihrem Mund ausgingen. Shelby war verblüfft, daß sie diese Verrichtung vor dem gesamten Publikum fertigbrachte. Fasziniert schaute sie ihr zu, bis Gunilla fertig war und ihren Blick erst auf sie und dann auf die glitzernde Versammlung richtete. »Wir alle hassen uns gegenseitig, meine Liebe. Vergessen Sie das nie.«
II
Die Ehemänner Gewitterwolken
1
Abmachung unter Freunden
Drei von den Ehemännern auf der Abschußliste des Clubs der Exfrauen nahmen an einer Teezeremonie teil. Tee! Nobel, nobel! Wie die ganze Örtlichkeit. Morty war durchaus beeindruckt vom Sitzungsraum des Vorstands von Federated Funds Douglas Witter. Kein Grund, das abzustreiten. Natürlich hatten sie auch eine Menge dafür springen lassen. Aber diese Burschen wußten genau, was sie machten. Und sie machten es gut. Immerhin waren sie seit den Revolutionskriegen als Witwen- und Waisenplünderer im Geschäft. Er schaute zu Gil Griffin und Bill Atchison hinüber. Ausgemachte Hurensöhne der amerikanischen Revolution.
Der Raum sah in der Tat so aus, als sei er in der damaligen Zeit entstanden. Wandpaneele aus dunklem Holz bis zur halben Höhe der Wände und von dort bis zur Decke hinauf cremeweiß-blau gestreifte Tapeten. Die Mitte des Raums nahm ein langer Konferenztisch ein, und darüber hing ein Messingkronleuchter, in dessen circa zwanzig Armen echte, völlig echte Kerzen steckten! Wie Gil erzählt hatte, mußte das irgend so eine außergewöhnliche Antiquität sein, noch aus Washingtons Hauptquartier oder so ähnlich. Natürlich gab es auch elektrische Beleuchtung, diskret in der stuckverzierten Decke versenkt. Dazu dunkle Holzbohlen als Fußboden – ganz wie in einem normalen Haus. Das Verrückte dabei war, daß dieses ganze Altertümchen sich im achtundsechzigsten Stock von Wall Street Nr. 120 befand, mit einer wunderbaren Aussicht über den New Yorker Hafen. Das heißt, man hätte diese Aussicht haben können, wären da nicht diese idiotischen echten alten Fensterscheiben voller Blasen und Verzerrungen gewesen. Das hatte einfach Klasse: über die Mittel zu verfügen, den ganzen kolonialen Ramsch aus den Tagen von Williamsburgh auf die Spitze eines Wolkenkratzers zu verpflanzen und dann auf die Aussicht zu verzichten. Also das mußte man diesen alten Gaunern wirklich lassen.
Die ganze Mannschaft war hier zur Feier des Tages versammelt. In genau diesem Moment gingen die Morty-Aktien auf den Markt und erschienen auf den Anzeigetafeln der Börse. Nicht zu fassen. Er, Morty, hatte seinen Anteil am Erfolg gehabt, er hatte sich gegen alle durchgeboxt, aber diese Leute hier waren anders. Raubtiere waren es. Morty hatte genug von ihrer Geschäftstaktik gehört, um informiert zu sein. Diese Typen gingen ›direkt an die Kehle‹ und das mit Stil. Es war dieser Widerspruch, der Morty so faszinierte.
Er ließ seine Blicke durch den Raum wandern. Gil saß am Kopfende des Tisches, ganz wie ein Kaiser oder so, mit leicht geneigtem Haupt seiner Frau, Mary Birmingham lauschend, die neben ihm saß und ihm etwas zuflüsterte. Weshalb nur saßen seine Anzüge so einmalig? Dazu gehörte mehr als nur Geld. Das mußte in den Genen liegen. Allein schon die Linie von Kopf und Hals. Morty beneidete ihn darum. Gils Kinn war hochgereckt, entschlossen. Für einen Augenblick sah Morty seine Augen stahlblau aufleuchten, als er seinen Zeigefinger auf die Lippen legte und seiner Frau zunickte. Morty setzte seine Beobachtung fort.
Ungefähr ein Dutzend Jungtürken, alle in makellos weißen Hemden, grauen und dunkelblauen Anzügen, saßen um den Tisch herum. Das Haar von denen, die noch welches hatten, war glatt zurückgekämmt. Brillen blitzten. Die Schlipse waren mit den üblichen kleinen langweiligen Motiven gemustert. ›Karriereschlipse‹ wurden sie genannt. Alle sahen reich und sauber aus. Reich und sauber. Morty mußte sich eingestehen, daß er weder den einen noch den anderen Eindruck machte. Er war übergewichtig, sein Siebzehn-Uhr-Bartschatten war schon mittags zu sehen, und er brauchte einen Anzug auch nur anzuziehen, schon war er zerknittert. Und trotzdem, trotzdem war er nun hier. Mit diesem Gedanken zog er an seiner Zigarre und lehnte sich zurück.
Er war hier, weil er es verdiente:
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