Der Dämonen-Turm Traumtor-Trilogie Band I (German Edition)
machen, war eine Frechheit! Deina war verletzt und gekränkt.
„Ja, Ihr habt Recht! Ich bin Prinzessin Deina!“ schrie sie. „Und mein Vater gab mir den Auftrag, Euch zu finden, da Ihr allein den Weg nach Norhang kennt, wo ich etwas über meinen Bruder erfahren kann. Doch dass Ihr mir unterstellt, ich hätte mich bei Euch eingeschmeichelt, um Euch willig für meine Pläne zu machen, ist eine Unverschämtheit! Ihr hattet Euch doch schon vor Wochen bereit erklärt, mich zum Turm von Sku-Ul mitzunehmen. Warum sollte ich Euch da wohl noch in mich verliebt machen wollen?“ Sie fühlte den unbändigen Wunsch in sich, ihn für seine Worte zu demütigen und ihn dafür zu strafen, dass er sie mit ihrer Mutter verglich. „Wer seid Ihr, dass Ihr Euch so etwas einbilden wollt?“ Fuhr sie daher hochmütig fort. „Schon einmal hat man Euch für so etwas mit Schimpf und Schande davongejagt. Ich war freundlich zu Euch, weil ich Mitleid mit Eurem Schicksal hatte, und dankbar, weil Ihr mich aus den Händen der Kawaren befreit habt. Aber Ihr seid nicht der Mann, von dem ich mich geliebt sehen möchte. Eure Gefühle für mich sind mir völlig gleichgültig! Was ich von Euch will, fragt Ihr? Führt mich zum Turm, dann könnt Ihr wieder Eures Weges ziehen. Mehr verlange ich nicht von Euch!“
Schon während sie sprach, wusste Deina, dass sie Targil Unrecht tat. Aber in ihr bohrte ihr gekränkter Stolz, und so schleuderte sie ihm die Worte entgegen, obwohl sie genau wusste, dass er sich zu Recht betrogen fühlte. Schließlich hatte sie ihm die ganze Zeit etwas vorgemacht und die Wahrheit verschwiegen.
Targil war unter Deinas Worten zusammen gezuckt, als habe sie ihn mit der Peitsche geschlagen. Sein Gesicht war aschfahl geworden und seine Lippen bildeten einen schmalen Strich. Deina erschrak, als sie den Ausdruck seiner Augen sah, und unwillkürlich machte sie einen Schritt rückwärts.
„Schon gut, Prinzessin!“ knurrte er. „Ihr braucht nicht vor mir zurückzuweichen, denn ich werde Euch nichts tun. Aber ich werde auch nichts mehr für Euch tun – nicht mehr jedenfalls, als Ihr gerade von mir verlangt habt. Ich werde Euch nach Norhang führen, wie ich es versprach. Doch ob und wie Ihr dort anlangt, ist jetzt nicht mehr meine Sache. Bittet Ihr mich um Hilfe, werde ich sie Euch gewähren und ich werde Euch auch nicht verhungern lassen, weil Ihr Rowins Schwester seid. Aber Ihr seid zu sehr die Tochter Eurer Mutter! Deshalb werde ich mich ab jetzt von Euch fernhalten. Eigentlich sollte ich Euch für Euren Betrug hier in der Wildnis zurücklassen, aber ich bin kein Unmensch. Doch auf meine Gesellschaft werdet Ihr ab jetzt verzichten müssen.“
Er drehte sich um, ging zu seinem Pferd und sattelte es. Dann suchte er seine Sachen zusammen, wickelte sie in seine Decke und verschnürte das Bündel hinter dem Sattel. Er stieg aufs Pferd und ritt zu Deina hinüber, die seinem Treiben mit Ratlosigkeit zugesehen hatte. Schon längst tat es ihr leid, ihn so behandelt zu haben, doch ihr Stolz und Trotz ließ keine Entschuldigung über ihre Lippen kommen. Sollte er doch gehen! Sie würde schon allein fertig werden.
Kurz vor Deina zügelte Targil sein Pferd. „Bei Sonnenaufgang werde ich Euch holen kommen“, sagte er kalt. „Sorgt dafür, dass Ihr dann zum Aufbruch bereit seid. Ich werde nicht warten.“ Dann wandte er sein Pferd, und wenig später verklang der Hufschlag in der Dunkelheit.
Immer noch stand Deina bewegungslos da und schaute in die Richtung, in die er verschwunden war. Sie war nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Warum nur hatte sie ihn so gekränkt? Seine Reaktion auf die Enthüllung, wer sie war, kam ihr jetzt durchaus verständlich vor. Und jetzt wusste sie auch genau, was sie hätte sagen müssen, um ihn wieder zu beruhigen und um bei ihm Verständnis für ihr Handeln zu finden. Hätte sie ihm ruhig erklärt, warum sie ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte, wäre er wohl bereit gewesen, ihr ihre Lüge zu verzeihen. Schließlich hatte sie ja davon ausgehen müssen, dass er das Königshaus von Valamin immer noch hasste und ihr darum möglicherweise seinen Beistand verwehrt hätte. Aber nun hatte sie durch ihre törichten Worte den Hass erneut in ihm geweckt und ihn an die Schande erinnert, die immer noch auf seinem Namen lag, da niemand die Wahrheit kannte. Das würde er ihr nie verzeihen!
Schon wollte sie ihm nachlaufen und ihn rufen, aber sie sah ein, dass das sinnlos war.
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