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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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ebensoviel Frohsinn verbreitet wie ein Film von Ingmar Bergman.
    Während Dagmar Duffy sich mit seinen russischen Spionen selbst die Hölle heiß machte und Jane Wayne sich nach ihrem liebsten Sexobjekt sehnte, entdeckte eine aufgeregte laotische Frau auf dem Flur eines örtlichen Krankenhauses einen riesigen Menschen mit ungewöhnlich mächtigen Augenbrauen. Sie erholte sich gerade von einer Knochentransplantation, und man hatte ihr von vornherein geraten, so viel wie möglich herumzuhinken, sobald ihr Zustand es erlaubte. Sie hatte bis dahin mehrere asiatische Besucher auf der Station gesehen, aber deren Sprache nicht verstanden. Zwei von ihnen waren Erwachsene in mittleren Jahren, und die anderen waren hübsche junge Mädchen, die ununterbrochen vor sich hin geschluchzt hatten.
    Die laotische Frau war allenfalls ein Drittel so groß wie dieser Riesenmensch, der inzwischen schon einige Zeit verlegen auf dem Flur herumgestanden hatte. Nachdem alle asiatischen Besucher die Station verlassen hatten, ging der Riese, der die größten Joggingschuhe trug, die die Frau je gesehen hatte, sehr leise und auf Zehenspitzen in das Krankenzimmer, aus dem die anderen Leute gekommen waren. Der Patient, der in diesem Zimmer lag, sah aus wie ein Kind, das man schrecklich zusammengeschlagen hatte. Wie er da in den weißen Laken in diesem großen Bett lag, wirkte er sehr klein. Und er mußte wirklich fürchterlich zusammengeschlagen worden sein. Überall hingen Schläuche, mit denen er an Maschinen angeschlossen worden war, und einer der Schläuche kam aus einer dicken Schicht von Bandagen, die sein zerschlagenes Gesicht vollständig verhüllten.
    Der Riesenmensch stand unbeholfen neben dem Bett und beobachtete den Patienten. Der Patient atmete erschreckend flach und war weder wach geworden, noch hatte er sich bewegt oder auch nur die Augen aufgemacht, seit die laotische Frau ihn zum ersten Mal gesehen hatte.
    Der Riese flüsterte dem so schlimm zusammengeschlagenen Patienten irgendwas zu.
    »Magilla?« sagte er.
    Die laotische Frau mußte sich über den Riesenmenschen doch sehr wundern. Er stand fast eine ganze Stunde neben dem bewußtlosen Patienten. Er war auch noch da, als die Frau am Ende sehr müde wurde und zu ihrem Zimmer zurückschlurfen mußte. Aber regelmäßig alle fünf Minuten oder so konnte sie ihn auch dann noch hören.
    »Magilla?« sagte der Riese.

 

    10. KAPITEL
    Die Madonna der Farbigen
    Mario Villalobos wurde um sechs Uhr früh vom Telefon geweckt. Daran waren Detectives längst gewöhnt, wenn sie bei der Mordkommission arbeiteten. Gerade deshalb zogen es die meisten Detectives vor, Einbrüche oder Raubüberfälle oder Autodiebstähle zu bearbeiten, Sachen, die man selten für wichtig genug hielt, um deswegen gleich einen Detective aus dem Bett zu holen. Für ihn aber war eine Mordermittlung das einzige auf der ganzen Welt, das seine paar noch funktionierenden Nervenzellen gelegentlich stimulierte. Sie gehörte zu den ganz wenigen Dingen, die ihm im Leben noch geblieben waren, an denen er wenigstens noch ein bißchen Spaß hatte. Das und ein gelegentliches Baseballspiel oder Popmusik aus den Vierzigern und Fünfzigern, die ihn seit einiger Zeit allerdings auch schon wieder depressiv stimmte, weil sie ihn an seine hoffnungsvolle Jugend erinnerte.
    Er fühlte sich in diesen Tagen immer gleich, ganz egal, ob er sehr viel oder sehr wenig Schlaf gehabt hatte: total erschöpft. Er hatte diese Symptome auch schon bei anderen Cops beobachtet. Er wußte also, daß er in einer ziemlichen Krise steckte.
    Der Detective ließ das Telefon siebenmal klingeln, was er immer tat, wenn er durch Neuigkeiten über Schießereien, Messerstechereien, Würgereien oder Verstümmelungen noch hundemüde aus einem tiefen oder unruhigen Schlaf gerissen wurde. Bei siebenmaligem Läuten hatte er gerade genügend Zeit, halbwegs munter zu werden.
    Eine bekannte Stimme dröhnte ihm ins Ohr: »Sergeant Villalobos!«
    »Jesus Christus, Dagmar!« stöhnte Mario Villalobos und riß den Telefonhörer vom Ohr weg.
    »Sergeant!« schrie Dagmar Duffy. »Ich komm eben nach Hause und stell fest, daß Sie nicht der einzige gewesen sind, der nach mir gesucht hat! Letzte Nacht hat 'n Kerl mit Brille und schwarzen Haaren und 'nem Schnurrbart im Adonis Club nach mir gefragt.«
    Da öffnete Mario Villalobos seine Augen ganz. »Also schön, was ist los?«
    »Der verdammte Idiot von Barkeeper, dieser ekelhafte Samson, mit dem ich früher mal was hatte, der hat

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