Der Distelfink
Geld in die Hände bekamen), hielt mein Dad den Hörer ein Stück von seinem Ohr weg, und in seinem Gesicht spiegelte sich etwas, das ziemlich genau wie Entsetzen aussah.
» Nun, ähm, das ist gut zu wissen, vielen Dank, Sir « , sagte ich, dringend bemüht, das Gespräch zu beenden.
» Es hat natürlich auch steuerliche Vorteile. Wenn man das Geld auf diese Weise anlegt. Aber sie wollte vor allem sichergehen, dass dein Vater niemals in der Lage sein würde, es anzurühren. «
» Oh? « , sagte ich unsicher in das überlange Schweigen, das folgte. Irgendetwas an seinem Tonfall hatte meinen Verdacht geweckt, dass er wusste, dass mein Vater die Lord-Vader-artige Präsenz sein könnte, die hörbar (zumindest für mich, ob auch für ihn, konnte ich nicht sagen) in der Leitung atmete.
» Es gibt auch noch andere Erwägungen. Also « , schickliches Schweigen, » ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen sollte, aber es wurde bereits zwei Mal von unautorisierter Partei versucht, eine größere Geldsumme von dem Konto abzuheben. «
» Was? « , fragte ich nach einer allzu langen Pause.
» Weißt du « , sagte Mr. Bracegirdle, seine Stimme klang so weit entfernt, als würde sie vom Grund des Meeres kommen, » ich bin der Verwalter des Kontos. Und etwa zwei Monate nach dem Tod deiner Mutter ist während der üblichen Geschäftszeiten jemand in die Bank in Manhattan gekommen und hat versucht, meine Unterschrift auf den Dokumenten zu fälschen. Nun, in der Hauptfiliale kennt man mich und hat mich sofort angerufen, doch noch während des Telefonats ist der Mann hinausgeschlüpft, bevor ein Wachmann ihn ansprechen und nach einem Ausweis fragen konnte. Das ist jetzt, du lieber Himmel, fast zwei Jahre her. Aber dann– erst vergangene Woche– hast du den Brief bekommen, den ich dir deswegen geschrieben habe? «
» Nein « , sagte ich, als ich schließlich begriff, dass ich etwas sagen musste.
» Nun, ohne zu sehr ins Detail zu gehen, es gab einen sonderbaren Anruf. Von jemandem, der vorgab, dein Anwalt im Westen zu sein, und um einen Transfer der Gelder bat. Als wir dann gründlicher nachgeprüft haben, mussten wir feststellen, dass eine Partei mit Zugang zu deiner Sozialversicherungsnummer in deinem Namen einen recht hohen Kreditrahmen beantragt und auch bekommen hat. Weißt du zufällig etwas darüber?
Nun, kein Grund zur Sorge « , fuhr er fort, als ich nichts sagte. » Ich habe eine Kopie deiner Geburtsurkunde, die habe ich der Kredit gebenden Bank zugefaxt und das Konto sofort geschlossen. Außerdem habe ich Equifax und sämtliche Kreditagenturen alarmiert. Auch wenn du noch minderjährig und gesetzlich nicht befugt bist, einen solchen Vertrag abzuschließen, könnte man dich für solcherart in deinem Namen aufgenommene Schulden zur Verantwortung ziehen, sobald du volljährig bist. Ich rate dir in jedem Fall dringend, sehr vorsichtig mit deiner Sozialversicherungsnummer zu sein. Es ist theoretisch auch möglich, eine neue Sozialversicherungsnummer zugeteilt zu bekommen, obwohl der bürokratische Aufwand so zermürbend ist, dass ich davon abraten würde… «
Ich war in kaltem Schweiß gebadet, als ich auflegte– und völlig unvorbereitet für das Heulen, das mein Vater ausstieß. Ich dachte, er wäre wütend– wütend auf mich–, aber als er einfach so dastand, das Telefon immer noch in der Hand, betrachtete ich ihn eingehender und erkannte, dass er weinte.
Es war grauenhaft. Ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. Er klang, als ob er mit kochendem Wasser übergossen wurde– als ob er sich in einen Werwolf verwandelte– als ob er gefoltert wurde. Ich ließ ihn dort sitzen– Poptschik rannte vor mir die Treppe hoch und wollte offensichtlich auch nichts mit dem Geheul zu tun haben–, ging in mein Zimmer, schloss die Tür ab und setzte mich, den Kopf in Händen, aufs Bett. Ich wollte Aspirin, aber nicht ins Bad gehen, um es zu holen, wünschte, Xandra würde sich beeilen und nach Hause kommen. Die Schreie von unten waren fürchterlich, als ob er mit einem Flammenwerfer verbrannt wurde. Ich nahm meinen iPod, versuchte, irgendwelche eher laute Musik zu finden, die nicht aufwühlend war (Schostakowitschs Vierte, was zwar klassisch, aber schon ein wenig aufwühlend war), legte mich mit den Ohrstöpseln aufs Bett und starrte an die Decke, während Popper mit aufgestellten Ohren, die Nackenhaare gesträubt, dastand und auf die geschlossene Tür starrte.
XV
» Er hat mir erzählt, du hättest ein Vermögen «
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