Der Distelfink
die ganze Zeit sportlich genommen, genau wie sie, wir waren dynamisch durch eine freie Wohnung nach der anderen gestapft, düstere Vorkriegsungetüme, in denen die Gespenster einsamer alter jüdischer Damen spukten, und eisige Glasmonstrositäten, in denen ich garantiert nie wohnen könnte, ohne das Gefühl zu haben, dass von der anderen Straßenseite das Gewehr eines Scharfschützen auf mich gerichtet war. Niemand erwartete, dass Wohnungssuche Spaß machte.
Im Gegensatz dazu war mir die Aussicht, mit Kitsey bei Tiffany unseren Hochzeitstisch einzurichten, wie eine angenehme Ablenkung erschienen. Ein Treffen mit der Hochzeitslistenberaterin, zeigen, was uns gefiel, und dann Hand in Hand zu einem vorweihnachtlichen Lunch hinausschweben? Stattdessen hatte mich– ziemlich unerwartet– der Stress überwältigt, mich an einem Freitag kurz vor Weihnachten in einem der vollsten Geschäfte in Manhattan zurechtzufinden: Rolltreppen voller Menschen, Schwärme von Touristen und Weihnachtseinkäufern, die sich in fünf oder sechs Reihen vor Vitrinen drängten, um Armbanduhren, Schals, Handtaschen, Reisewecker, Benimmbücher und allerlei überflüssigen Zierrat in Tiffany-Blau zu kaufen. Wir hatten uns stundenlang durch die fünf Etagen geschleppt, gefolgt von einer Hochzeitsberaterin, die sich alle Mühe gab, vollendeten Service zu bieten, und uns so selbstbewusst bei unseren Entscheidungen beriet, dass ich mich unwillkürlich ein wenig verfolgt fühlte ( » Ein Porzellanmuster sollte Ihnen beiden sagen, › so sind wir, als Paar ‹ … es ist ein wichtiger Ausdruck Ihres Stils « ). Kitsey huschte derweil von Verkaufsstand zu Verkaufsstand: Der Goldrand!, nein, der blaue! Warte… welchen hatten wir zuerst? Ist achteckig übertrieben?, und die Beraterin steuerte ihre hilfreichen Deutungen bei: urbane geometrische Strukturen… romantische Blumenmuster… zeitlose Eleganz… leuchtende Extravaganz… Und obwohl ich die ganze Zeit sagte, sicher, das ist schön, das auch, mir würden beide gefallen, deine Entscheidung, Kits, zeigte die Beraterin uns immer neue Geschirr-Sets, weil sie offenbar hoffte, mir die Bekundung einer Vorliebe zu entlocken, erläuterte mir freundlich die jeweiligen Feinheiten, das vergoldete Silber hier, der handbemalte Rand dort, bis ich mir auf die Zunge beißen musste, um nicht zu sagen, was ich wirklich dachte: dass es trotz allen Kunsthandwerks null Unterschied machte, ob Kitsey Muster X oder Muster Y auswählte, da sie für mich im Grunde alle gleich waren: neu, reizlos und unbelebt, von dem Preis ganz zu schweigen– achthundert Dollar für einen gestern hergestellten Teller? Einen Teller? Es gab wunderschöne komplette Services aus dem 18.Jahrhundert, die man für den Bruchteil des Preises kaufen konnte, den dieses kalte, glänzende, frisch geprägte Zeug kostete.
» Aber sie können dir doch nicht alle genau gleich gut gefallen! Und ja, absolut, ich komme immer wieder zu dem Déco zurück « , sagte Kitsey zu unserer geduldigen im Hintergrund schwebenden Verkäuferin, » aber sosehr es mir gefällt, vielleicht ist es nicht ganz passend für uns « , und dann zu mir: » Was denkst du? «
» Was immer du willst. Irgendeins. Ehrlich « , sagte ich, schob die Hände in die Taschen und wandte den Blick ab, als sie weiterhin dastand und mich respektvoll anblinzelte.
» Du wirkst sehr nervös. Ich wünschte, du würdest mir sagen, was dir gefällt. «
» Ja, aber… « Ich hatte so viel Porzellan aus Nachlassverkäufen und Haushaltsauflösungen ausgepackt, dass die unberührten, glänzenden Ausstellungsstücke mit ihrem stillschweigenden Versprechen von einer ebenso glänzenden untragischen Zukunft etwas beinahe unaussprechlich Trauriges hatten.
» Chinois? Oder Birds of the Nile? Sag Theo, ich weiß, dass dir eins von beiden besser gefallen muss. «
» Mit beiden kann man nichts falsch machen. Beide sind peppig und schick. Und dieses ist schlicht, für jeden Tag « , sagte die Beraterin hilfsbereit, weil schlicht für sie offenbar ein Schlüsselwort im Umgang mit überforderten und übellaunigen Ehegatten war. » Wirklich schlicht und neutral. « Anscheinend gehörte es zum Protokoll von Hochzeitslisten, dass dem Bräutigam die Auswahl des Alltagsgeschirrs überlassen wurde (vermutlich für all die Super-Bowl-Partys, die ich für die Jungs schmeißen würde, ha, ha), während das » offizielle Geschirr « den Experten überlassen blieb: den Damen.
» Sehr schön « , sagte ich, knapper als
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