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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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»Aber bist du nicht ein wenig zu jung, um nach Kopfgeld zu jagen?«
    »Ja, nein... doch«, stammelte Ben, bis er sicher war, dass der Alte ihn wirklich nicht erkannt hatte. Er atmete tief durch. Die Frage war doch viel eher, ob er nicht zu jung war, um auf diese Weise gejagt zu werden. »Allein würde ich es nicht wagen. Aber ich habe vier ältere Brüder, und mein Vater kann des Geld gut gebrauchen.«
    »Wer nicht, wer nicht«, murmelte der Alte und legte Ben die fleckige Hand auf die Schulter. »Du bist ein guter Junge, ein guter Junge. Dein Vater kann stolz auf dich sein. Wirklich
stolz. Ich sage es ja immer, nicht alle jungen Leute sind solcher Abschaum.« Er nickte, spuckte nach dem Steckbrief und stapfte langsam davon. »Abschaum. Abschaum. Abschaum.«
    Ben starrte auf das Pergament und beobachtete, wie der Speichel des Alten über Nicas hübsches Gesicht lief. Das wollte er nicht sehen, schnell wischte er ihn mit dem Ärmel weg.
    Tausend Gulden.
    Wer so viel Geld ausgab, hatte nicht vor, sie wirklich am Leben zu lassen, wurde ihm plötzlich klar. Der Orden wollte eine aufsehenerregende öffentliche Hinrichtung mit großen Reden über Hellwahs Macht und Gerechtigkeit. Er wollte dem Volk etwas bieten, und Tote konnte man nicht mehr hängen. Mit Abscheu dachte Ben an die einzige Hinrichtung, die er je erlebt hatte, an den aufgeregten kleinen Jungen, der auf die Schultern seines Vaters geklettert war, um alles gut beobachten zu können. Mühsam schüttelte Ben die Vorstellung ab, wie zahlreiche plappernde Kinder aufs Schafott blickten, wo er, Yanko und Nica auf den Henker warteten.
    Tausend verfluchten Gulden.
    Sie wurden also gejagt, wirklich gejagt. So oft er über die Jahre in Trollfurt auch vor irgendwem davongelaufen war, nie war es um sein Leben gegangen, stets nur um eine Tracht Prügel und darum, beschimpft und verspottet zu werden. Bis er vor ein paar Wochen fälschlicherweise des Mordes an einem Ritter beschuldigt worden war. Doch Trollfurt lag viele Meilen von hier entfernt, und er hatte gedacht, das alles mit seiner Flucht hinter sich gelassen zu haben. Er hatte gedacht, all das wäre vorbei, seit der wahre Mörder, Nicas Vater, gestorben war. Wie kam er nur darauf? Nur weil Nica, Yanko und er den wahren Schuldigen kannten, änderte sich für alle
anderen noch nichts. Sie hielten weiterhin ihn für schuldig, und nicht nur eines einzigen Mordes.
    Geächtete gesucht.
    Sie waren Geächtete, und kein Gesetz schützte sie mehr, jeder durfte sie gefangen setzen, ja sogar töten. Nun war nicht mehr nur eine kleine heruntergewirtschaftete Stadt am Rande des Landes hinter ihnen her, sondern das ganze Großtirdische Reich. Fluchend riss er das Pergament vom Baum und stopfte es in die Hosentasche. Ihm wurde übel.
    Kurz dachte er darüber nach, sofort aus der Stadt zu verschwinden, aber der Alte hatte ihn nicht erkannt, er würde es schon schaffen bis zu Anula. Jetzt musste er erst recht mit ihr reden, musste sie über jene drei Geächteten ausfragen, die überall gesucht wurden. Er sehnte sich nach ihrem Lächeln und danach, sie zu berühren, und sei es nur flüchtig. Ach was, flüchtig, er würde sie küssen. Genau deshalb war er doch in die Stadt gekommen, wenn er ehrlich zu sich selbst war.
    Entschlossen ging er los. So oft er sich auch sagte, dass seine Verkleidung ihn vor der Entdeckung schützte, er schielte doch bei jedem Schritt nach rechts und links, hielt sich möglichst unauffällig am Rand der Straße, stets darauf bedacht, einen Fluchtweg im Blick zu haben. Sein Herz schlug schnell, in seinem Bauch rumorte es. Er starrte in zahllose Gesichter, doch niemand schien ihn zu erkennen, die meisten sahen einfach über ihn hinweg.
    Schließlich erreichte er eine T-Kreuzung an der Stadtmauer, an der sich eine kleine Menschenansammlung gebildet hatte. Es war Markttag, und Ben erwartete entsprechend, einen tüchtigen Händler oder herumtobenden Gaukler zu entdecken, der diese Ansammlung hervorgerufen hatte, vielleicht auch einen weit gereisten Barden, der Sagen aus fernen
Gegenden zum Besten gab. Doch es war ein alter Prediger auf einer grob gezimmerten Holzkiste, dem die gut vier Dutzend Menschen lauschten.
    Als sich Ben der Kreuzung näherte, bemerkte er, dass der Prediger noch gar nicht so alt war – nur hatte er sein spärliches langes Haar mit Mehl eingestäubt, und seine Stimme krächzte heiser. Dürr und ausgemergelt war er, als hätte er monatelang gefastet, die Wangen waren nicht vom Alter

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