Der Drachentöter
zu zittern. Die Augenlider bewegten sich. Dann teilten sich die Lippen.
»Glop!« sagte der Mächtige und schwieg wieder.
»Verdammt, ausgerechnet jetzt muß der Tank leer werden«, flüsterte jemand neben Retief.
»Wie macht er das?« fragte Retief leise, als der Hüter der Heiligen Dämpfe aufgeregt mit dem Schlauch wedelte und vergeblich den starren Halbgott anrief.
»Er macht gar nichts, Eindringling«, sagte der Sulinorer düster. »Wenn die Helden Heiligen Hauch einatmen, beginnt ihr Kreislauf wieder zu arbeiten. Das ist alles.«
Abrupt bewegte sich Tussore wieder. »Zum Teufel mit diesen langweiligen Lakaien«, knurrte er mit tiefer Stimme. »Wo sind meine Beinschienen? Wo ist der Puder für meine Fesseln? Verdammt, wo ist mein Streitkolben?«
»Großer Tussore, erwache aus deinen Träumen«, sagte der Alte mit dem Schlauch und verdoppelte seine Anstrengungen. »Höre mich an! In diesem Augenblick steht in unserer Mitte ein Fremder, der die heilige Ruhe der Herren von Sulinore durch seine Gegenwart stört …«
»Ah, du bist es, Therion«, murmelte Tussore. Seine Augen waren jetzt offen, aber sie wirkten verquollen. »Du siehst schrecklich aus. Ist auch lange her, seit ich dich gesehen habe. Und nicht der Fremde stört mich – sondern du mit deinem Gequatsche regst mich auf.« Er riß dem Alten den Schlauch aus der Hand und atmete tief ein.
»Ahh! Genau das hat mir der Tierarzt verschrieben.«
»Höre mich an, Großer Tussore.« Der Sulinore erzählte umständlich, was geschehen war. Mitten in der Beschreibung sanken die Lider des Zentauren nach unten. Der Schlauch fiel ihm aus der Hand. Er schnarchte.
»Soviel zur Weisheit der Alten«, sagte Retief. »Ein hübscher Versuch, Therion, aber das Orakel scheint an meinem Geschick nicht interessiert. Ich schlage vor, daß wir jetzt losziehen und …«
»Bringt ihn zum Schweigen, rasch«, sagte der heisere Sulinorer, der Retief schon einmal aufgefallen war. »Keine Zeit, Holzgötter zum Leben zu erwecken. Schneidet Terry Kopf ab, jawohl! Und dann könnt ihr sterben wie geplant.«
»Ruhe, Narr!« Therion wandte sich dem Sprecher zu. »Dein Gefasel beleidigt die Ohren der Majestäten von Sulinore! Nenne mir deinen Namen, Ungebildeter, daß ich mich später mit dir befassen kann.«
Der Angesprochene zog sich zurück. Er schien erst jetzt zu merken, daß er unliebsam aufgefallen war. Retief studierte seine Züge.
»Wenn das nicht mein alter Freund Coriale ist«, sagte er. »Der Mann scheint ein Experte auf dem Gebiet des Sterbens zu sein. Der hat doch heute abend schon zweimal das Zeitliche gesegnet.«
Der Sulinorer wirbelte plötzlich herum und wollte sich nach hinten drängen.
»Packt hin!« rief Therion. Das Opfer rannte in die Büsche, und die Meute stürmte ihm nach. Retief setzte sich auf ein Podest und zündete sich ein Rauchstäbchen an. Fünf Minuten vergingen, dann kam die wilde Jagd wieder auf ihn zu. Der Verfolgte befand sich immer noch an der Spitze. Er rannte auf den Tempel zu und hechelte ins Innere.
»Seine Ehrfurchtlosigkeit übersteigt alle Grenzen«, sagte Therion heftig schnaufend. »Nur ein Wahnsinniger sucht Schutz in Bozdunes Krypta.«
»Wir holen ihn heraus!« riefen die anderen.
»Bleibt!« befahl Therion mit dünner Stimme. »Wir wollen dem Helden keine Unruhe bringen. Kommt! Der Wahnsinnige wird durch die Größe seiner Umgebung wieder zu sich finden.«
Retief schaltete die Taschenlampe ein und leuchtete ins Innere des Tempels. Zwischen den gewaltigen Stiefeln Bozdunes war ein kleineres Füßepaar zu erkennen. »Das ist kein Sulinorer, seht doch!« sagte Retief. Der Lichtstrahl enthüllte eine braune Rauchwolke, die langsam um die steifen Züge des Helden schwebte. »Ein Fremder hat sich als Sulinorer ausgegeben – ein Fremder, der braunes Gas ausatmet, wenn er erregt ist.«
»Was heißt das? Braunes Gas …?« Therions Frage wurde von dem aufgeregten Schrei eines Sulinorers unterbrochen. Gleich darauf hörte man ein Schnauben, das an einen gereizten Bullen erinnerte.
»Er regt sich! Bozdune erwacht!« Plötzlich rannten die Sulinorer in allen Richtungen davon. Retief hielt Therion gerade noch fest, als er sich der allgemeinen Flucht anschließen wollte.
»Laß los, Genosse«, kreischte der Greis, als erneut Gebrüll aus dem Tempel drang. »Ich sehe dem Tod mit einem stolzen Lächeln ins Auge – aber ich finde es unschicklich, von einem Vorfahren in Stücke gerissen zu werden.«
»Solche Kerle macht ihr also zu
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