Der dreizehnte Apostel
verwerflich, daß der Mann sich als Jünger ausgab. Alldieweil es deren doch nicht mehr als zwölf geben kann! O glänzende Zahl!
8.
Er sagte zu mir: »Ich bin gewiss , daß der Meister nichts dagegen hätte, daß andere die Namen Seiner ersten Nachfolger annehmen.«
Wie ganz und gar lächerlich! Mit Nachdruck wies ich daraufhin, daß der Herr und Meister solche Falschheit nie und nimmer gebilligt hätte.7 Dieser Hochstapler sagte zu mir: »Nein, ich fürchte, daß ich diesbezüglich anderer Meinung bleiben werde. Denn ich kann nicht glauben, daß der Herr im Himmel dergleichen sonderlich wichtig nimmt. Während das ägyptische Volk nicht zu überzeugen ist, wenn man ihm nicht mit einem bekannten Namen oder Titel kommt. Denke doch nur, Matthias, an den großen Wert, den du selbst auf Rang und Titel legst.«
9.
Ich sagte zu ihm: »Aber was ist mit dem echten Philippus? Wenn du dich mit Häresien und Lastern besudelst, wird doch auch dessen guter Ruf beschädigt.«
(Hier sprach ich nicht ganz aufrichtig von meiner Sorge um den guten Ruf des Apostels, denn tatsächlich habe ich Philippus nie gemocht, ich fand ihn vielmehr immer willensschwach und zur Großsprecherei neigend. Ich weiß noch, daß er sich seine Fragen an Ihn stets so geschickt zurechtlegte, daß er trotz seiner bestenfalls zweitklassigen Intelligenz den Meister jedesmal beeindruckte.)
»Der andere Philippus hat sich längst in Medien behaglich zur Ruhe gesetzt, wie du vielleicht weißt«, erwiderte der falsche Philippus (und bestätigte so die geringe Meinung, die ich von dem Prahlhans immer hatte).
Keine Ahnung hätte ich davon gehabt, sagte ich, alles, was ich wisse, sei, daß er in Armenien heldenhaft für den Glauben gestritten und gelitten habe.8
»Aber nicht doch. Martyrisiert haben sie den ebenso wenig wie mich oder dich. Er hat sich auf sein Landgut zurückgezogen und gibt sich die größte Mühe, einigen Gewinn daraus zu ziehen, denn er hat fünfzehn Kinder zu versorgen. Aber andererseits hatte ich gehört, daß beim Fall von Jerusalem du das Martyrium erlitten habest, mein lieber Matthias; Jakobus bar-Alphäus hat mir in diesem Sinne geschrieben. Aber wie ich sehe, hat dir offenbar dein verräterischer Bruder das Leben gerettet.«
10.
Ich sagte zu ihm: »Willst du mir sagen, daß du in brieflichem Verkehr mit anderen Jüngern stehst, denen nicht bewusst ist, daß du kein echter Jünger bist?«
Ich muss sagen, daß der falsche Philippus meinen Tadel mit bewundernswerter Freundlichkeit und Sanftmut aufnahm, doch stellte er vielleicht diese vorgetäuschten Tugenden nur zur Schau, um mich von der Echtheit seiner nasiräischen und nazaräischen Gesinnung zu überzeugen. Er sagte zu mir: »Ich stehe in Verbindung mit der Mehrzahl der noch lebenden Jünger. Soll ich dir ein Sendschreiben des Petrus zeigen?«9 Armer, schwachsinniger alter Petrus! Sich von einem solchen Hochstapler täuschen zu lassen!
Weiter sagte er zu mir: »Ich kann dir versichern, daß Petrus hinsichtlich meiner Identität vollkommen Bescheid weiß. Sein Schreiber adressiert seine Briefe an Crassus Philippus, nennt zuerst also den Namen, den ich früher als Gehilfe des Philippus führte, vor meinem später angenommenen. Der liebe Petrus ist zwar niemals selber hier gewesen, doch nimmt er großen Anteil am Gedeihen der hiesigen Gemeinde und hat sie anfänglich auch finanziell unterstützt. Aber sieh sie dir selber an! Sie gehört zu den größten und wohlhabendsten.«
11.
Er schien anzunehmen, daß sein Hinweis auf seine Herkunft unbemerkt geblieben sei. Ich sagte zu ihm: »Du hast also früher Crassus geheißen. Darf ich daraus schließen, daß du Römer bist?« Er sagte zu mir: »Du gehörst doch nicht etwa zur Beschneidungspartei?«10 Selbstverständlich gehöre ich zu dieser.
12.
Ich drohte dem falschen Philipp, ihn vor seiner ganzen Gemeinde zu entlarven. Nach einer Pause, die ich wohl als schmerzliches Schweigen verstehen sollte, sagte er: »Du bist der einzige Jünger, der hier etwas auszusetzen hat. Komm und sieh dir an, wie wir leben. Jeder hat genug zu essen, und keiner hat mehr als der andere. Wir sorgen und beten für die Alten und Kr anken. Wir bieten Flüchtlingen vor den Römern Zuflucht und helfen Prostituierten, die ihr Leben ändern wollen.«
Ich sagte zu ihm: »Du hast viel Vertrauen in deine eigenen Leistungen. Ich werde vielleicht doch vor deine Gemeinde hintreten und aller Welt offenbaren, daß du nicht der echte
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