Der Dritte Zwilling.
Sie war noch ganz benommen, als er ihre Handgelenke freigab und ihr Hose und Schlüpfer vom Leib riß. »Wow!« rief er, »was für ein Busch!«
Jeannie riß sich das Tuch aus dem Mund und schrie: »Helft mir! Hilfe!«
Mit seiner Pranke bedeckte Harvey ihren Mund und erstickte ihre Schreie. Dann stürzte er sich auf sie und schlug dermaßen auf sie ein, daß sie kaum noch Luft bekam. Vorübergehend war sie völlig hilflos und rang nach Atem. Mit einer Hand fummelte Harvey an seinem
Hosenschlitz, und seine Knöchel schrammten über ihre Oberschenkel. Dann stieß er zu und wollte in sie eindringen. Verzweifelt wand sich Jeannie hin und her und versuchte, ihn von sich herunterzuschieben, aber er war zu schwer.
Das Telefon klingelte unablässig. Und dann klingelte es auf einmal auch an der Tür.
Harvey ließ nicht von ihr ab.
Jeannie öffnete den Mund. Harveys Finger rutschten zwischen ihre Zähne, und in diesem Moment biß Jeannie zu, so hart sie konnte. Es war ihr egal, ob sie sich einen Zahn ausbiß oder ihm einen Knochen brach. Warmes Blut schoß ihr in den Mund. Sie hörte Harvey einen Schmerzensschrei ausstoßen und spürte, wie er im gleichen Augen blick reflexartig seine Hand zurückriß.
Die Türglocke klingelte erneut, lange und aufdringlich diesmal.
Jeannie spuckte Harveys Blut aus und schrie gellend auf. »Hilfe! Hilfe! Hilfe!«
Unten schlug jemand gegen die Tür, gleich darauf ein zweites Mal. Plötzlich krachte es, und man hörte das Geräusch von splitterndem Holz.
Harvey rappelte sich auf und umklammerte seine verletzte Hand.
Jeannie drehte sich um, erhob sich und wich drei Schritte von ihm zurück.
Die Wohnungstür sprang auf. Harvey wirbelte herum und drehte Jeannie den Rücken zu.
Steve stürmte herein.
Sekundenlang standen die beiden wie festgefroren einander gegen über und starrten sich verblüfft an.
Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Was würde geschehen, wenn es zum Kampf kam? Sie waren gleich groß, gleich schwer, gleich fit. Ein Kampf konnte ewig dauern.
Aus einer Eingebung heraus packte Jeannie mit beiden Händen die Bratpfanne, stellte sich vor, zu einem beidhändigen Rückhand-Cross - der bei ihren Gegnern gefürchtet war - anzusetzen, verlagerte ihr Gewicht auf den vorgeschobenen Fuß, spannte die Handgelenke an, holte aus - und traf Harvey mit aller Wucht auf die empfindlichste Stelle an seinem Hinterkopf.
Es gab einen grauenhaften, dumpfen Schlag. Harveys Beine waren auf einmal weich wie Butter. Er sank in die Knie und schwankte.
Als wäre sie zum Volley ans Netz vorgelaufen, hob Jeannie die Pfanne erneut, diesmal nur mit der rechten Hand, und ließ sie voll auf Harveys Scheitel krachen.
Harveys Augen rollten nach oben, und er erschlaffte und sackte zu Boden.
»Mein Gott, bin ich froh, daß du nicht den falschen Zwilling er wischt hast«, sagte Steve.
Jeannie begann heftig zu zittern. Sie ließ die Pfanne fallen und setzte sich auf einen Küchenhocker. Steve nahm sie in die Arme. »Es ist vorbei«, sagte er.
»Nein«, widersprach sie. »Jetzt geht es erst richtig los.«
Noch immer klingelte das Telefon.
Kapitel 56
Dem hast du’s aber gegeben«, sagte Steve. »Welcher ist es überhaupt?«
»Harvey Jones«, antwortete Jeannie, »der Sohn von Berrington Jones.«
Steve fiel aus allen Wolken. »Berrington hat einen der acht als seinen eigenen Sohn aufgezogen? Das ist ja nicht zu fassen!«
Jeannie starrte auf den Bewußtlosen, der vor ihr auf dem Fußboden lag. »Was tun wir jetzt?«
»Na, du könntest zuallererst mal ans Telefon gehen.« Automatisch griff sie zum Hörer. Es war Lisa. »Mir ist es fast genauso ergangen wie dir«, sagte Jeannie ohne jede Vorwarnung. »O nein!«
»Derselbe Typ.«
»Unglaublich! Soll ich rüberkommen?«
»Ja, bitte, das wäre sehr lieb von dir.«
Jeannie legte auf. Von dem schweren Sturz auf den Küchenboden taten ihr noch alle Knochen weh, und ihr Mund schmerzte infolge der brutalen Knebelung.
Noch immer schmeckte sie Harveys Blut. Sie goß sich ein Glas Wasser ein, spülte sich den Mund aus und spuckte in den Ausguß. Dann sagte sie: »Das ist ein heißes Pflaster hier, Steve. Unsere Gegner haben mächtige Freunde.«
»Ich weiß.«
»Sie werden vielleicht versuchen, uns umzubringen.«
»Was ist passiert? Nun sag schon!«
Die Vorstellung verwirrte ihr beinahe die Sinne. Ich darf es nicht so weit kommen lassen, daß die Furcht mich lahmt, dachte sie. »Glaubst du, die lassen mich in Ruhe, wenn ich verspreche, keinem
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