Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
Vom Netzwerk:
ehe er die zwei Worte ganz ausgesprochen hatte, antwortete Jurgis schon: »Ja, Sir!«
    »Wie heißen Sie?«
    »Jurgis Rudkus.«
    »Schon mal in den Yards gearbeitet?«
    »Jawohl.«
    »Und wo?«
    »An zwei Stellen: erst bei Brown in der Schlachthalle, und dann in Durhams Düngerfabrik.«
    »Warum sind Sie dort weg?«
    »Das eine Mal hatte ich einen Unfall, und das andere Mal war ich für einen Monat eingelocht gewesen.«
    »Aha. Nun, ich will’s mit Ihnen versuchen. Kommen Sie morgen früh und fragen sie nach Mr. Thomas.«
    Jurgis eilte nach Hause mit der aufregenden Nachricht, daß er Arbeit habe – daß ihre Durststrecke nun vorbei sei. Der Abend wurde für die Familie zu einer richtigen Feier, und am nächsten Morgen stand Jurgis schon eine halbe Stunde vor Einlaß am Tor.
    Der Vorarbeiter kam ebenfalls sehr früh, und als er Jurgis sah, runzelte er die Stirn. »Ach so«, sagte er, »ich hatte Ihnen ja Arbeit versprochen.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Tja, leider war das ein Irrtum. Ich kann Sie nun doch nicht gebrauchen.«
    Jurgis starrte ihn an wie vor den Kopf geschlagen. »Aber wieso ...? Was ist denn los?«
    »Nichts«, gab der Mann zurück. »Ich kann Sie eben nicht gebrauchen.« Und er hatte den gleichen kalten, feindseligen Blick wie schon der Aufseher in der Düngerfabrik.
    Jurgis wußte, daß jedes weitere Wort zwecklos war, drehte sich um und ging.
    Draußen in den Kneipen konnten sie ihm genau erklären, was das zu bedeuten hatte. Mitleidig sahen sie ihn an – der arme Kerl stand auf der schwarzen Liste! Was er denn angestellt habe, wollten sie wissen. Was – einen Vorgesetzten zusammengeschlagen? Großer Gott, dann hätte er sich das doch denken können! Da habe er genausoviel Aussicht, in Packingtown wieder Arbeit zu kriegen wie zum Bürgermeister von Chicago gewählt zu werden. Warum verschwende er seine Zeit überhaupt noch mit Arbeitsuche? In jedem Personalbüro in den Yards, selbst in der kleinsten Firma, stehe sein Name nun auf einer Geheimliste, und nicht bloß hier, sondern inzwischen auch in St. Louis und New York, in Omaha und Boston, in Kansas City und St. Joseph. Er sei schuldig gesprochen und verurteilt worden, ohne Verhandlung und ohne Recht auf Berufung; in der Schlachthofbranche könne er nie wieder arbeiten – wo die großen Fabrikanten das Sagen haben, würde man ihn nirgendwo auch nur zum Ausmisten der Viehbuchten zulassen. Wenn er das nicht glaubt, könne er ja die Probe aufs Exempel machen, dann werde er es schon sehen, so wie Hunderte vor ihm. Den wahren Grund der Ablehnung werde man ihm niemals sagen, sondern ihn immer bloß mit so allgemeinen Worten abspeisen wie heute; jedenfalls werde er feststellen, daß sie im letzten Moment stets einen Rückzieher machen und erklären, sie könnten ihn doch nicht gebrauchen. Es habe auch keinen Zweck, einen anderen Namen anzugeben – für solche Fälle hätten sie eigene Detektive, und diese Schnüffler bekämen das bald heraus; also würde er eine Stelle in Packingtown keine drei Tage behalten. Den Fabrikanten sei es ein Vermögen wert, diese schwarze Liste zu führen – als Warnung für die Arbeiter und als Mittel, Gewerkschaftsagitation und politische Aufsässigkeit niederzuhalten.
    Jurgis ging nach Hause und legte dem Familienrat die neue Sachlage dar. Grausamer ging’s kaum noch: Das Viertel hier war doch jetzt sozusagen seine Heimat, die Gegend, an die er gewohnt war und wo er seinen Bekanntenkreis hatte – und nun versperrte man ihm jede Arbeitsmöglichkeit darin. Und da es in Packingtown nichts als Fleischfabriken gab, kam das einer Verbannung gleich.
    Den ganzen Tag und die halbe Nacht berieten er und die beiden Frauen hin und her. Die Innenstadt erschien insofern günstig, weil die Kinder da arbeiteten, aber andererseits hatte Marija, deren Hand bald heilen würde, Hoffnung auf eine Stelle in den Yards; und wenn sie mit ihrem langzeitigen Freier auch kaum einmal im Monat zusammenkam, weil es ihnen so schlecht ging, konnte sie sich doch nicht entschließen, wegzuziehen und ihn für immer aufzugeben. Und Elzbieta hatte von einer Möglichkeit gehört, bei Durham in der Verwaltung als Putzfrau zu arbeiten, und wartete täglich auf Bescheid. Zu guter Letzt kamen sie überein, Jurgis solle in die Stadt gehen und sich erst einmal allein durchschlagen; wenn er Arbeit gefunden hat, werde man weitersehen. Da er dort von niemandem etwas auf Borg bekommen würde und wegen der Gefahr des Festgenommenwerdens auch nicht betteln konnte,

Weitere Kostenlose Bücher