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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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heran und konnten dadurch die alten um so härter an die Kandare nehmen – konnten sie auf Akkord setzen und sie entlassen, wenn sie das Tempo nicht durchhielten. Jurgis war jetzt einer ihrer Handlanger dabei und spürte, wie sich alles von Tag zu Tag veränderte; es war wie das Anlaufen einer riesigen Maschine. Er hatte sich inzwischen daran gewöhnt, andere zu befehligen, und wegen der drückenden Hitze und des Gestanks sowie auch der Tatsache, daß er ein Streikbrecher war und sich deswegen selbst verachtete, trank er und kehrte üble Launen hervor; er wetterte, fluchte, tobte und trieb seine Leute an, bis sie vor Erschöpfung fast zusammenbrachen.
     
    Eines Tages, es war schon Ende August, kam ein Oberaufseher angerannt und rief Jurgis und seiner Kolonne zu, die Arbeit liegenzulassen und sofort mitzukommen. Sie folgten ihm hinaus, und dort sahen sie inmitten einer dichten Menschenmenge mehrere zweispännige Rollwagen und drei Überfallwagen mit Polizisten stehen. Jurgis und seine Leute sprangen auf einen der Rollwagen, der Kutscher brüllte der Menge zu, aus dem Weg zu gehen, und dann preschten sie im Galopp los. Es waren soeben ein paar junge Ochsen aus den Yards ausgebrochen, und die Streikenden hatten sie eingefangen – da konnte es einen Zusammenstoß geben!
    Sie fuhren durch das Tor an der Ashland Avenue und dann weiter in Richtung Müllkippe. Sobald sie gesehen wurden, erhob sich lautes Geschrei; Männer und Frauen kamen aus Häusern und Kneipen gestürzt, wenn sie vorbeidonnerten. Es waren jedoch acht oder zehn Polizisten auf dem Rollwagen, und so passierte nichts, bis sie an eine Stelle kamen, wo die Straße durch einen Auflauf blockiert war. Von ihrem in voller Fahrt heranbrausenden Wagen schrien sie Warnungen, und die Menge stob nach allen Seiten auseinander, so daß der Blick frei wurde auf einen der Ochsen, der dort in seinem Blut lag. Es lungerten hier jetzt viele Rinderschlächter herum, die nichts zu tun hatten und deren Kinder daheim Hunger litten, und einer von ihnen hatte den Ochsen zur Strecke gebracht – und da ein guter Schlächter ein Rind in wenigen Minuten schlachten und zerteilen kann, fehlte bereits eine ganze Anzahl Steaks und Bratenstücke. Das verlangte natürlich nach Bestrafung, und die Polizisten machten sich daran, diese unverzüglich zu vollziehen, indem sie vom Wagen sprangen und auf jeden Kopf losdroschen, den sie treffen konnten. Wut- und Schmerzensschreie ertönten, und die verschreckten Menschen flüchteten in Häuser und Läden oder rannten in wildem Durcheinander die Straße hinunter. Jurgis und seine Kolonne beteiligten sich an der Hetzjagd; jeder suchte sich ein Opfer aus und setzte seinen Ehrgeiz dran, es zu stellen und zu verprügeln. Floh das Opfer in ein Haus, schlug sein Verfolger die schwache Tür ein, folgte ihm die Treppe hinauf, wobei er unterwegs auf jeden einschlug, der ihm in Reichweite kam, und zerrte schließlich seine winselnde Beute unter einem Bett oder unter einem Haufen alter Kleider in einer Abstellkammer hervor.
    Jurgis und zwei Polizisten verfolgten ein paar Männer bis in eine Kneipe. Der eine suchte Schutz hinter der Theke, wo ihn dann einer der Polizisten in die Enge trieb und ihm Rücken und Schultern so lange mit seinem Knüppel bearbeitete, bis er niedersank und ihm endlich auch eins über den Kopf gezogen werden konnte. Die anderen sprangen über einen Zaun hinter dem Haus und entgingen dadurch dem zweiten Polizisten, der zu schwergewichtig war, ihnen nachzusetzen. Als der wutschnaubend zurückkam, stürzte eine dicke Polin, die Wirtin der Kneipe, zeternd herein – und erhielt einen Schlag vor den Bauch, der sie zu Boden streckte. Derweilen bediente sich der praktisch veranlagte Jurgis an der Theke. Der erste Polizist, der seinen Mann inzwischen erledigt hatte, schloß sich ihm an, teilte weitere Flaschen aus, stopfte sich außerdem noch die Taschen voll und fegte, bevor er ging, den Rest mit seinem Knüppel vom Schanktisch. Das Klirren von zersplitterndem Glas brachte die Polin wieder auf die Beine, doch der andere Polizist trat von hinten an sie heran, drückte ihr sein Knie ins Kreuz, hielt ihr mit den Händen die Augen zu und rief dann seinen Kameraden zurück. Der kam, ging hinter die Theke, brach die Kassenschublade auf und steckte sich deren Inhalt in die Taschen. Dann rannten er und Jurgis hinaus, und der Mann, der die Wirtin festhielt, gab ihr einen Stoß und machte dann ebenfalls, daß er fortkam. Da Jurgis’ Leute den Ochsen

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