Der Dschungel
zu schaffen machte, Hinds sagte mit leuchtenden Augen: »Wissen Sie, was Sie dagegen tun müssen? Sozialistisch wählen!«
Nach dem Krieg war er Geschäftsmann geworden. Dabei fand er sich dann im Konkurrenzkampf mit jenen, die sich Vermögen zusammengestohlen hatten, während er Soldat gewesen war. Die Stadtverwaltung hatten sie fest in der Hand und waren mit den Eisenbahngesellschaften im Bunde; der ehrliche Handel wurde an die Wand gedrückt. Da stieg Hinds aus, steckte sein Geld in Chicagoer Immobilien und machte sich auf eigene Faust daran, die Flut der Korruption einzudämmen. Er war erst reformistischer Abgeordneter im Magistrat, dann Labor-Unionist, dann Greenbacker, dann Populist, dann Bryanist – und nach dreißig Jahren des Kampfes überzeugte ihn das Jahr 1896, daß sich die Macht des konzentrierten Kapitals niemals in Schranken halten lassen würde, sondern nur zerschlagen werden konnte. Er veröffentlichte eine kleine Schrift darüber und wollte schon eine eigene Partei gründen, als ihm zufällig eine Broschüre der Sozialisten in die Hände fiel und ihm zeigte, daß ihm bereits andere zuvorgekommen waren. Nun kämpfte er seit acht Jahren für die Partei, allenthalben und allerorten; ob ein Veteranentreffen, eine Hoteliertagung, ein Bankett afro-amerikanischer Geschäftsleute, ein Picknick der Bibelgesellschaft – Hinds verschaffte sich eine Einladung, um den Teilnehmern die Beziehungen zwischen dem Sozialismus und dem jeweils auf der Tagesordnung stehenden Thema zu erklären. Dann wieder reiste er auf eigene Faust los und landete irgendwo zwischen New York und Oregon; kaum zurück, ging er abermals auf Reisen, um in Illinois neue Ortsgruppen zu gründen. Und dann kam er endlich nach Hause, um sich auszuruhen – und in Chicago für den Sozialismus zu werben. Hinds’ Hotel bildete das reinste Agitationszentrum; alle Beschäftigten gehörten der Partei an, und wer nicht schon bei der Einstellung Sozialist gewesen war, wurde es todsicher, bevor er wieder wegging. Der Hotelier fing im Vestibül mit jemanden ein Gespräch an, und wenn die Unterhaltung lebhaft wurde, scharten sich andere zum Zuhören herum, bis schließlich alle Gäste eine Gruppe bildeten und eine regelrechte Debatte lief. Das ging so jeden Abend, und weilte Hinds auf Reisen, brachte der Hotelsekretär die Diskussion in Gang, und war der ebenfalls aushäusig, um irgendwo zu agitieren, dann übernahm das sein Gehilfe, während seine Arbeit am Empfangsschalter von Mrs. Hinds weitergeführt wurde. Der Sekretär, Amos Struver, war ein alter Freund von Hinds, ein ungeschlacht wirkender, hagerer Hüne mit knochigem, fahlem Gesicht, breitem Mund und Kinnbart – das Urbild des Präriefarmers. Farmer war er auch sein ganzes Leben lang gewesen; fünfzig Jahre hatte er sich in Kansas gegen die Eisenbahngesellschaften gewehrt, erst in der Granger-Bewegung, dann in der Farmers’ Alliance und später als gemäßigter Populist. Schließlich war ihm von Tommy Hinds der großartige Gedanke dargelegt worden, daß man die Trusts übernehmen müsse, statt sie zu zerschlagen, und da hatte er seine Farm verkauft und war nach Chicago gegangen.
Struvers Gehilfe hieß Harry Adams. Er war ein blasser, gelehrtenhaft aussehender Mann, der aus Massachusetts kam und seine Abstammung auf die Pilgerväter zurückführen konnte. Adams war Facharbeiter in einer Baumwollspinnerei in Fall River gewesen, und die anhaltende Krise in dieser Branche hatten ihn und seine Familie so zermürbt, daß sie schließlich nach South Carolina übersiedelten. In Massachusetts gibt es unter den Weißen nur 0,8 Prozent Analphabeten, in South Carolina dagegen 13,6 Prozent; außerdem ist dort das Wahlrecht an den Besitz eines bestimmten Vermögens gebunden. Aus diesen und noch anderen Gründen ist Kinderarbeit die Regel, und so verdrängen die Baumwollspinnereien von South Carolina die von Massachusetts vom Markt. Adams hatte davon keine Ahnung gehabt, sondern nur gewußt, daß es in den Spinnereien des Südens keine Stillegungen gab. Erst an Ort und Stelle wurde ihm klar, wenn sie nicht alle verhungern wollten, würde seine gesamte Familie arbeiten müssen, und das von sechs Uhr abends bis sechs Uhr morgens. So begann er, die Spinnereiarbeiter hier nach dem Muster von Massachusetts zu organisieren, und wurde daraufhin prompt entlassen. Es gelang ihm jedoch, eine neue Stelle zu finden und sie auch zu behalten. Schließlich kam es zu einem Streik um kürzere Arbeitszeiten, und als Adams
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