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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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den Vertrag. Dann seufzte er erleichtert auf, erhob sich und schüttelte ihnen allen die Hand, immer noch so höflich und aalglatt wie zu Anfang. Ona blieb dunkel in Erinnerung, daß der Anwalt zu Jokubas sagte, sein Honorar betrage einen Dollar, was zu einem längeren Wortwechsel und neuer Pein führte. Nachdem sie auch das noch bezahlt hatten, gingen sie hinaus auf die Straße, wobei Teta Elzbieta das Dokument fest an sich gedrückt hielt. Vor Beklemmung waren sie so schwach, daß sie sich auf dem Heimweg ein paarmal hinsetzen mußten.
    Den ganzen Tag lang plagten sie schreckliche Zweifel, und als Jurgis am Abend ihren Bericht hörte, sah er rot. Überzeugt, daß sie reingelegt worden und ruiniert seien, raufte er sich die Haare, fluchte wie ein Türke und schwor, er werde dem Makler noch heute den Hals umdrehen. Schließlich schnappte er sich den Vertrag, stürzte zum Haus hinaus und rannte den ganzen Weg quer durch die Yards hinüber zur Halsted Street. Er zerrte Jokubas von seinem Abendbrot weg und hastete mit ihm los, einen anderen Rechtsberater zu konsultieren. Als sie das Büro betraten, sprang der Anwalt auf, denn Jurgis sah mit seinen wirren Haaren und blutunterlaufenen Augen aus wie ein Amokläufer. Nachdem sein Begleiter dargelegt hatte, worum es ging, nahm der Anwalt den Vertrag und begann zu lesen, während der am ganzen Leib fliegende Jurgis dastand und die Hände um die Schreibtischplatte krümmte.
    Ein paarmal blickte der Anwalt auf und fragte Jokubas etwas. Jurgis verstand kein Wort, aber seine Augen waren fest auf des Anwalts Gesicht gerichtet, in dem er in qualvoller Angst zu lesen suchte. Als er ihn hochschauen und lachen sah, holte er tief Luft. Der Mann sagte etwas zu Jokubas, und Jurgis, dem beinahe das Herz stehenblieb, wandte sich seinem Freund zu.
    »Nun?« stieß er hervor.
    »Er meint, es ist in Ordnung«, antwortete Jokubas.
    »Wirklich?«
    »Ja, er sagt, es ist alles so, wie es sein muß.«
    Erleichtert sank Jurgis auf einen Stuhl. »Hast du dich auch nicht verhört?« keuchte er und ließ Jokubas eine Frage nach der anderen übersetzen. Er konnte es nicht oft genug hören, konnte nicht genug Abwandlungen fragen. Ja, sie hätten das Haus gekauft, es ordnungsgemäß erworben. Es sei an sie übergegangen; sie müßten nur immer die Tilgungsraten einhalten, dann gehe alles glatt. Da schlug Jurgis die Hände vors Gesicht, denn ihm standen Tränen in den Augen, und er kam sich vor wie ein Narr. Aber er hatte so schreckliche Angst gehabt; ein so kräftiger Mann er auch war, fühlte er sich jetzt so schwach, daß er kaum aufstehen konnte.
    Das mit der »mietlichen Überlassung«, erläuterte der Anwalt, sei eine reine Formsache und beziehe sich nur auf die Zeit bis zur Leistung der letzten Zahlung; eine Vorsichtsmaßnahme, um einen Vertragspartner, der seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, leichter hinaussetzen zu können. Solange sie jedoch zahlen, hätten sie nichts zu befürchten – das Haus gehöre durchaus ihnen.
    Jurgis war so dankbar, daß er, ohne mit der Wimper zu zucken, den halben Dollar hinlegte, den der Anwalt verlangte, und dann eilte er im Laufschritt nach Hause, um den anderen alles zu erzählen. Er fand Ona in Ohnmacht vor, die Kinder schrien, und das ganze Haus war in heller Aufregung – alle hatten geglaubt, er wäre losgestürmt, um den Makler zu ermorden. Es dauerte Stunden, bis sie sich wieder beruhigten, und in der Nacht dann wurde Jurgis nicht wenige Male wach, weil er im Nebenzimmer Ona und ihre Stiefmutter leise vor sich hin schluchzen hörte.

5
    Der Ankauf war also perfekt. Daß dieses herrliche Haus ihr eigen sein sollte und sie einziehen durften, wann immer sie wollten – sie vermochten es kaum zu fassen. Ihre Gedanken kreisten nur noch um ihr neues Heim und darum, wie sie es einrichten könnten. Da ihre Woche bei Ponia Aniele in drei Tagen ablief, machten sie sich unverzüglich an die Vorbereitungen. Irgendwie mußten sie ja ein bißchen Hausrat anschaffen, und so wurde jede freie Minute mit Besprechungen verbracht, was man alles brauche.
    Das zu erfahren, wurde einem in Packingtown leicht gemacht. Es genügte, die Avenue langzugehen oder in die Straßenbahn zu steigen und die Werbeschilder zu lesen, denn die informierten aufs ausführlichste über so ziemlich alles, was ein Mensch nur brauchen kann. Einfach rührend der Eifer, mit dem da Leute auf anderer Leute leibliches und seelisches Wohl bedacht waren. Rauche der Herr gern etwas Gutes? Ein kleiner

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