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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Diskurs über Zigarren führte ihm beweiskräftig vor Augen, warum die T HOMAS J EFFERSON P ERFECTO 5 C ENT die einzige sei, die den Namen Zigarre verdient. Oder rauche er hingegen zuviel? Hier sei ein Mittel zum Abgewöhnen, die Fünfundzwanzigerpackung für einen Vierteldollar, mit garantiertem Erfolg schon nach zehnmaligem Einnehmen. Der Passant entdeckte, daß man auf unzählige solcher Weisen bemüht war, es ihm in der Welt leichter zu machen und ihn wissen zu lassen, was alles für ihn getan werde. Die Reklamen in Packingtown hatten einen eigenen, ganz auf seine spezielle Bevölkerung abgestimmten Stil. Die eine erkundigte sich teilnahmsvoll: »Sieht Ihre Frau blaß aus? Schleppt sie sich lustlos durchs Haus und nörgelt an allem herum? Machen Sie sie wieder munter – kaufen Sie ihr D R . L ANAHAN S L EBENSWECKER !« Eine andere erteilte in lustigen Reimen trostreichen Rat: »Wer Kummer hat mit Ballen, braucht nicht in Trübsal fallen, denn B ADEBALSAM G OLIATH macht Füße wieder schön und glatt.« Und eine dritte schlug einen jovialen Ton an, klopfte einem gleichsam auf die Schulter: »Geh ran! Bleib am Ball! Hab Erfolg! Mit dem P ATENT -S CHUH E UREKA fällt es leicht, immer auf den Beinen zu sein! Nur 2,50 Dollar.«
    Eines dieser aufdringlichen Plakate erregte durch seine Bilder die Aufmerksamkeit unserer Familie: Es zeigte zwei niedliche Vögel beim Nestbau. Marija ließ sich von einer Bekannten den Text vorlesen und konnte den anderen berichten, daß er sich aufs Wohnungseinrichten beziehe. »Setzen Sie sich ins warme Nest!« forderte die Überschrift auf, und es folgte ein Angebot, sämtliche für ein warmes Drei-Zimmer-Nest nötigen Federn zum lächerlich niedrigen Preis von fünfundsiebzig Dollar zu liefern. Besonders interessant dabei war, daß nur eine geringe Anzahlung geleistet werden mußte – den Rest konnte man mit monatlich ein paar Dollars abtragen. Unsere Freunde brauchten einige Möbel, ohne die ging es einfach nicht, aber ihr kleines Kapital war so zusammengeschrumpft, daß sie vor Sorgen kaum noch Schlaf fanden, und so nahmen sie Zuflucht zu dieser Offerte. Das bedeutete weitere qualvolle Momente sowie abermals ein Schriftstück, das Teta Elzbieta unterzeichnen mußte, und eines Abends dann wurde der heimkommende Jurgis mit der aufregenden Mitteilung empfangen, daß die Möbel eingetroffen und bereits in ihrem Haus aufgestellt seien: ein vierteiliges Wohnzimmer, ein dreiteiliges Schlafzimmer, ein Eßtisch mit vier Stühlen, ferner eine Waschtischgarnitur mit wunderschönen rosa Rosen, ein Steingutservice, ebenfalls mit Rosenmuster, und noch verschiedenes andere. Von den Tellern sei einer schon zerbrochen gewesen, als man ihn auspackte, und Ona werde gleich morgen hingehen und auf Ersatz dringen; außerdem habe man ihnen drei Kasserollen versprochen, aber nur zwei geliefert – ob Jurgis glaube, man wolle sie betrügen?
    Am nächsten Tag zogen sie um. Als die Männer von der Arbeit gekommen waren, aßen sie rasch ein paar Bissen bei Ponia Aniele und schritten dann daran, ihre Sachen zu dem neuen Haus zu transportieren. Dorthin waren es in Wirklichkeit mehr als zwei Meilen, Jurgis machte die Tour jedoch zweimal an dem Abend, jedesmal mit einem riesigen Stapel Matratzen und Bettzeug auf dem Kopf und noch behängt mit Kleiderbündeln, Beuteln und allem möglichen Kleinkram. Überall woanders in Chicago wäre er dabei wohl Gefahr gelaufen, festgenommen zu werden, in Packingtown aber waren die Polizisten solche formlosen Umzüge offenbar gewöhnt und begnügten sich mit hier und da einer oberflächlichen Kontrolle. Und wie wunderhübsch sich das Haus dann mit all den Sachen darin machte, selbst bei dem schwachen Lampenlicht: Es war ein richtiges Heim und fast so atemberaubend schön wie auf dem Plakat. Ona tanzte geradezu; sie und Marija nahmen Jurgis beim Arm und führten ihn von Zimmer zu Zimmer, setzten sich abwechselnd auf jeden der Stühle und bestanden darauf, daß er es ihnen nachtat. Unter seinem schweren Gewicht knarrte der eine Stuhl, und sie schrien vor Schreck so laut auf, daß sie das kleinste Kind weckten und die anderen Familienmitglieder herbeigestürzt kamen. Alles in allem war es ein herrlicher Tag, und obwohl hundemüde, blieben Jurgis und Ona noch lange auf, glücklich, Hand in Hand dazusitzen und die Augen verzückt durch den Raum schweifen zu lassen. Sobald alles geordnet war und sie ein bißchen Geld zurückgelegt hatten, würden sie heiraten, und hier war dann ihr

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