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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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hetzen wird. Aber wenn ich ... wenn ich nur wollte, sagte er, dann würden wir alle immer Arbeit haben. Und eines Tages hielt er mich fest ... ließ mich nicht los ... und ...«
    »Wo war das?«
    »Auf dem Flur ... spätabends, als schon alle gegangen waren. Ich konnte nicht anders. Ich dachte an dich ... an unsern Jungen ... an Mutter und die Kinder. Ich hatte Angst vor ihm ... traute mich nicht zu schreien.«
    Eben noch war ihr Gesicht aschfahl gewesen, jetzt aber glühte es dunkelrot. Sie rang weiter nach Atem. Jurgis gab keinen Laut von sich.
    »Das war vor zwei Monaten. Dann wollte er mich in ... in jenes Haus holen. Für fest. Er sagte, wir alle ... wir brauchen dann nicht mehr zu arbeiten. Er ließ mich hinkommen ... an den Abenden. Dir sagte ich ... du dachtest, ich wär noch in der Fabrik. Aber neulich schneite es so, und ich konnte nicht heimfahren. Und letzte Nacht ... da ging keine Straßenbahn. Eine kleine Panne ... und richtet uns alle zugrunde. Ich wollte zu Fuß gehen, konnte aber nicht. Du solltest es nie erfahren. Es wäre ... es wäre alles gutgegangen. Wir hätten weiterleben können ... so wie bisher ... und du hättest nie etwas davon zu wissen brauchen. Er hatte mich schon ein bißchen über ... hätte mich bald in Ruhe gelassen. Ich kriege ein Kind ... ich werde häßlich. Das hat er mir gestern erklärt, sogar zweimal. Und mir einen Fußtritt gegeben. Und jetzt ... jetzt wirst du ihn totschlagen ... wirst ihn totschlagen ... und wir werden zugrunde gehen ...«
    Ona hatte das alles gesagt, ohne sich zu regen; wie eine Tote lag sie jetzt da, keine Wimper zuckte. Und auch Jurgis sagte kein Wort. Er zog sich am Bett hoch und stand auf. Ohne sich noch einmal nach ihr umzudrehen, ging er zur Tür, zog den Tisch wieder weg und machte sie auf. Er sah auch nicht Elzbieta, die verängstigt in der Ecke hockte. Ohne Kopfbedeckung stürzte er hinaus und ließ die Haustür hinter sich offen. Sobald er auf der Straße war, begann er zu rennen.
     
    Er rannte wie ein Besessener, schaute weder nach rechts noch nach links. Erst in der Ashland Avenue wurde er langsamer, weil ihm die Luft ausging. Als er eine Straßenbahn sah, spurtete er hinterher und schwang sich hinauf. Sein Blick war wild, seine Haare flatterten, und er atmete keuchend wie ein verwundeter Stier, aber die anderen Fahrgäste nahmen das nicht weiter zur Kenntnis – vielleicht fanden sie es ganz natürlich, daß jemand, der so roch wie Jurgis, sich auch entsprechend gebärdete. Wie üblich rückten sie von ihm weg. Vorsichtig, nur mit den Fingerspitzen nahm ihm der Schaffner seine fünf Cent ab, ging dann hinein und überließ ihm die ganze Plattform. Jurgis merkte es nicht einmal – seine Gedanken waren weit weg. Seine Seele glich einem rotglühenden Schmelzofen; wie zum Sprung geduckt, stand er da und wartete ...
    Als die Bahn am Tor zu den Yards hielt, war er wieder genügend bei Atem, und so sprang er ab und rannte los. Die Leute drehten sich nach ihm um und starrten ihm nach, aber er sah niemanden – da war die Fabrik, und er raste durch den Eingang und den Flur hinunter. Jurgis wußte, wo Ona arbeitete, und vom Sehen kannte er auch Connor, den Lademeister. Er stürmte in den Saal hinein und schaute sich nach ihm um.
    Draußen waren die Packer schwer bei der Arbeit; sie luden die versandfertigen Kisten und Fässer auf die Wagen. Jurgis suchte mit raschem Blick die Rampe ab, aber der Kerl war nicht da. Doch dann hörte er plötzlich eine Stimme auf dem Flur. Sofort stürzte er dorthin – und stand Connor gegenüber.
    Der war ein großer, rotgesichtiger Ire von grobschlächtigem Äußeren und mit Schnapsfahne. Als er Jurgis über die Schwelle setzen sah, wurde er weiß wie die Wand. Eine Sekunde lang schwankte er, ob er wegrennen solle, doch dann war sein Angreifer schon über ihm. Er hob die Hände, um das Gesicht zu schützen, aber Jurgis, der mit der vollen Kraft von Arm und Körper zuschlug, traf ihn genau zwischen die Augen, so daß er hintenüberschlug. Im nächsten Moment war er auf ihm und grub ihm die Finger in die Kehle.
    Für Jurgis stank der ganze Kerl nach der Schandtat, die er begangen hatte; ihn zu berühren machte ihn wahnsinnig – ließ jeden seiner Nerven vibrieren, weckte alles Wilde und Böse in ihm. Dieser Unhold hatte Ona mißbraucht – und jetzt hatte er ihn gepackt, hatte ihn in seiner Gewalt! Jetzt war er an der Reihe! Er sah nur noch rot, wie in einem Nebel von Blut, und mit einem Wutschrei riß er sein Opfer

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