Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
Krähenturm bislang gesehen hatte. Ab und an kamen einige einzelne Reisende oder ein Zunftkollege von Othman vorbei und baten um Unterkunft, aber das war auch schon alles. Der Zauberer mochte keinen großen Trubel um sich, war aber zu allen immer nett und freundlich und schien sich über die anregenden Gespräche zu freuen.
Bonne und Milo hatten sich der meisten ihrer Kleidungsstücke entledigt und saßen nun in Decken gehüllt auf zwei Holzschemeln vor dem prasselnden Kamin in der Küche. Rubinia traf noch einige kleine Vorbereitungen für das Mittagessen, während der Gnom immer noch zappelnd um sie herumwuselte. Dies endete jedoch abrupt, als sich die Halblingsfrau beim Wurzelschälen in den Finger schnitt und ihn wütend anfuhr.
»Was ist denn los mit dir, Kaminrot? Du machst mich ganz nervös.«
Der Tunnelgnom wurde auf der Stelle stocksteif und blickte Rubinia mit großen feuchten Augen an.
»Der da hat gesagt, ich hätte mich geschnitten, wenn ich denke, dass sie wieder gehen würden«, stammelte er mit weinerlicher Stimme und zeigte dabei auf Milo. »Ich kann die Stelle aber nicht finden. Was ist, wenn sich das nun entzündet und ich Fieber bekomme?«
Rubinia lächelte den kleinen Diener an und strich ihm tröstend über den Kopf.
»Er hat nur Spaß gemacht«, erklärte sie, als sie den Irrtum verstand. »Dir fehlt nichts. Du musst dir keine Sorgen machen.«
»Wirklich nicht?«, fragte Rubinrot immer noch unsicher und sah abwechseln zu Milo und dessen Tante. Als beide ihm versicherten, dass ihm nichts fehlte, lächelte er erleichtert.
»Dann gehe ich jetzt mal nach oben und lege ein paar Scheite in Meister Othmans Arbeitszimmer nach«, verkündete er fröhlich und hielt auf das gespaltene Holz neben dem Kamin zu. Er legte sich drei Stück in die Armbeuge und trotte damit los. Er verharrte jedoch einen Moment auf Milos Höhe und starrte den Halbling trotzig an.
»Mit so etwas macht man keinen Spaß«, fauchte er und eilte davon.
Als er verschwunden war, setzte sich Rubinia zu ihren beiden Neffen an den Kamin und reichte jedem von ihnen ein Stück Apfelstrudel mit Blaubeerkompott.
»Nehmt es ihm nicht übel«, bat sie. »Die Gnome verstehen die meisten Redewendungen nicht. Sie sind einfache Geschöpfe, die klare Anweisungen brauchen. Aber sie leisten gute Arbeit hier im Haus … und auch im Wald«, fügte sie hinzu und betastete ihre Stirn. »Nun erzählt aber, was euch zu uns verschlagen hat. Habt ihr wieder etwas angestellt?«
Milo und Bonne tauschten verstohlene Blicke aus. Beide ergaunerten sich noch etwas Bedenkzeit, indem sie sich einen großen Löffel Apfelstrudel in den Mund schoben.
»Kommt schon, Jungs«, drängelte Rubinia, »so schlimm wird es doch wohl nicht sein, schließlich habt ihr ja keinen umgebracht.«
Bonne blieb der Bissen quer im Hals stecken, und er hustete kleine Blätterteigstücke. Milo starrte seine Tante entsetzt an.
»Das war nur ein Scherz«, lenkte Rubinia sofort ein. »Das war es doch, oder?«
Milo wollte gerade einen Versuch starten, alles zu erklären, als ihn ein dumpfes Klopfen unterbrach. Alle drei Halblinge fuhren herum und starrten hinüber zum Treppenaufgang.
»Meister Othman!«, rief Rubinia, »Was macht Ihr hier unten? Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
Othman war in einen brauen Umhang aus gefüttertem Leinenstoff gekleidet, der einige Brandlöcher aufwies, dazu trug er ein Paar bequem aussehende schwarze Spitzschuhe. Sein langes weißes Haar wie auch sein Bart schien er vergessen zu haben, am Morgen zu kämmen.
»Das frage ich Euch, meine Liebe. Ich habe etwas von Eindringlingen gehört, und auf der Treppe kam mir einer der Tunnelgnome entgegen und erzählte mir, dass Ihr schwer verletzt seid. Außerdem brabbelte er etwas von zwei Reisenden und einer angeblichen Schnittverletzung. Auf meinen fragenden Blick hin hat er versucht, weitere Einzelheiten von sich zu geben, aber entweder werde ich langsam alt, oder die Gedanken unseres kleinen Freundes wurden auf dem Weg nach draußen von seiner Zunge zu einem unverständlichen Brei verrührt.«
Rubinia erhob sich und eilte zum Tisch, wo sie schnell ein Stück Apfelstrudel abschnitt, es auf einen Teller legte und damit zu Othman ging.
»Es liegt sicherlich nicht an Eurem Alter«, beruhigte sie den Magier. »Er war etwas irritiert durch den unerwarteten Besuch meiner beiden Neffen. Ihr kennt doch Bonne und Milo noch, die beiden ältesten Söhne meines Bruders?«
Bonne und Milo erhoben sich von ihren
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