Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
behielt Sybil für sich.
»Das Schlimme ist, ich weiß nicht, was in jener Nacht geschehen ist«, fuhr Abbey verzweifelt fort. »Und deshalb wollte ich Sie fragen, woran ich … woran ich erkenne, dass ich keine Jungfrau mehr bin.«
Nach kurzer Überlegung sagte Sybil: »Sind Ihnen Blutflecken auf dem Bettzeug oder auf Ihren Sachen aufgefallen?«
Abbey schüttelte langsam den Kopf. »Nein, nicht dass ich wüsste.« Sie hatte dieses Nachthemd getragen, aber sie wollte nicht darüber nachdenken, wer es ihr angezogen haben könnte. Sie schauderte vor Abscheu bei dem Gedanken, der alte Mason könnte es selbst getan haben.
»Nun, dann wäre es möglich, dass er gestorben ist, bevor er Ihnen Gewalt antun konnte.«
Abbey schloss die Augen und atmete tief durch. »Ich hoffe inständig, dass es so gewesen ist«, flüsterte sie.
»Ich wünsche es Ihnen, Abbey«, sagte Sybil aufrichtig. »Versuchen Sie, das Ganze aus Ihren Gedanken zu verbannen, auch wenn es Ihnen schwerfällt. Vielleicht werden Sie nie erfahren, was in jener Nacht wirklich passiert ist.«
»Ich habe versucht, nicht mehr daran zu denken, aber das gelingt mir einfach nicht. In Gedanken gehe ich diesen Abend immer und immer wieder durch. Und ich komme immer wieder zu der gleichen Schlussfolgerung: Mr. Mason muss mir etwas in meinen Wein getan haben.«
Abbey wäre niemals auf diese Idee gekommen, wenn nicht einem Mädchen aus der Creek Street genau das Gleiche passiert wäre. Die junge Frau hatte in einer Bäckerei gearbeitet und jeden Morgen um vier Uhr, wenn auch der Bäcker in die Backstube kam, zur Arbeit erscheinen müssen. Ihr Arbeitgeber gab ihr ein Getränk, in das er heimlich ein Schlafmittel gerührt hatte. Als sie eingeschlafen war, vergewaltigte er sie. Sie merkte erst, was geschehen war, als sie schwanger wurde. Abbey war die Einzige, der sie sich in ihrer Not anvertraute. Sie solle den Bäcker zur Rede stellen, hatte Abbey ihr geraten. Das tat die junge Frau auch. Er leugnete es nicht einmal, so sicher war er, dass die Sache keine Konsequenzen haben würde. Die Frau, die keine Schande über ihre Familie bringen wollte, zog bei Nacht und Nebel fort aus Burra. Man hatte nie wieder etwas von ihr gehört.
»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich von den paar Schlucken, die ich getrunken habe, die Besinnung verloren habe«, fuhr Abbey fort.
Sybil war erschüttert und zutiefst bestürzt, als sie das hörte. Was für ein ungeheuerlicher Verdacht! Mitfühlend berührte sie Abbeys Hand. »Sie Ärmste! Ebenezer Mason war ein Hurensohn!«
Erst als Abbey verdutzt die Augen aufriss, wurde Sybil klar, was für ein Ausdruck ihr gerade entschlüpft war. »Entschuldigen Sie, normalerweise gebrauche ich solche Ausdrücke nicht, aber wer einem jungen, unschuldigen Mädchen so etwas antut, hat keine andere Bezeichnung verdient!«
13
Am Sonntagmorgen gingen Abbey, Jack und Sybil zu Fuß in die Kirche von Bungaree. Elsa und Marie hatten sich am Abend zuvor auf den Heimweg zu ihren Familien gemacht und würden erst später an diesem Tag zurückkommen. Sabu, der sonntags ebenfalls frei hatte, zog sich zum Beten und Meditieren in den Heuschuppen zurück, wie er das mehrmals täglich tat. Natürlich würde er an seinem freien Tag auch nicht kochen, sodass Sybil, Jack und jetzt auch Abbey sich selbst etwas zubereiten mussten.
Als Abbey an diesem Morgen heruntergekommen war, hatte sie Jack in der Küche dabei überrascht, wie er Eier und Speck zum Frühstück briet. Das mache er jeden Sonntagmorgen, sagte er und lehnte ihr Angebot, ihm zu helfen, ab.
»Das ist eine Tradition in diesem Haus, die strikt eingehalten werden muss«, meinte er in gespieltem Ernst und mit erhobenem Zeigefinger.
»Aber ich würde Ihnen gern helfen«, beharrte Abbey. »Bitte! Lassen Sie mich doch auch etwas machen.«
Jack ließ sich erweichen. »Na schön, wenn Sie darauf bestehen. Sie könnten schon mal den Tisch decken und den Tee kochen.«
Abbey nickte. »Gerne.« In diesem Moment kam Sybil herein. Sie schüttelte den Kopf über die beiden, die so fleißig in der Küche hantierten, und spottete: »Was für ein reizendes häusliches Idyll!« Sie setzte sich an den Tisch und schenkte sich von dem frisch gepressten Orangensaft ein, dessen Früchte aus dem eigenen Garten stammten.
Abbey und Jack wechselten einen Blick und lächelten sich zu. Ihnen machte das Kochen Spaß, doch das würde Sybil niemals verstehen.
Pater Quinlan begrüßte die
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