Der Duft der Mondblume
Trommeln übertönten sie, dann fielen die wohlklingenden Stimmen der Frauen in den tiefen Gesang der Männer ein.
Nun trat Kiann’e vor und tanzte zu diesem ausdrucksvollen und dennoch beschwingten Lied. Ihr Tanz erzählte das Leben von Abel John – sie schilderte seine Stärke, wie tüchtig er als Fischer und als Surfer gewesen war, die Liebe zu seiner Frau und die zärtliche Zuneigung zu seinen Kindern. Während des anschließenden Gebets sammelte sich eine Flottille aus Kanus und Surfbrettern am Ufer. Ernst führte der Kahuna Helena, ihre Tochter und das Baby zu einem Kanu mit Kane am Paddel. Alle trugen Blumen. In einem zweiten Kanu saß Abel Johns ältester Sohn, in der Hand eine kleine offene Kalebasse mit der Asche seines Vaters.
Die Musik spielte weiter, während alle Anwesenden nun mit Blumen in der Hand zum Ufer hinuntergingen. Zwischen den Kanus paddelten die Surfer langsam auf ihren Brettern mit, als ob sie auf eine Welle warteten. Die Sonne ging unter und warf einen letzten Strahl vom Horizont übers Meer hin zu all den Menschen am Strand.
Jetzt ruhten die Paddel, und die Kanus trieben auf der Wasseroberfläche. Leise sangen die Männer, der Kahuna hob die Arme und betete, während Abel Johns Sohn sich langsam über den Kanurand beugte und die Kalebasse aus Koaholz aufs Wasser setzte.
Helena weinte leise vor sich hin, als sie sich den Lei vom Hals nahm, ihn küsste und ins Wasser fallen ließ. Ihre Tochter folgte ihrem Beispiel. Das Baby schlief, vom Kanu in den Schlaf gewiegt, es ahnte nichts von dem Kummer um sich herum. Die Blumen schwammen auf die hölzerne Kalebasse zu, die auf dem Wasser tanzte.
Als die Sonne endgültig hinter dem Horizont verschwand, baute sich plötzlich eine Welle auf und rollte auf die Gruppe zu, hob die Kanus in die Höhe und brach danach. Doch sie nahm die Blumen und die Kalebasse mit sich, warf das Gefäß um und streute Abel Johns Asche ins Meer.
»Er ist gegangen. Es ist vorbei«, sagte der Kahuna, und sie steuerten wieder auf den Strand und die Trauergäste zu.
Die Männer jedoch, die mit Abel John gesurft waren, nahmen die Welle und ritten sie, laut rufend, von einem Hochgefühl erfasst. Noch während sie auf den Brettern standen, nahmen sie ihre Leis vom Hals und warfen sie ins Meer.
Die Feier, das Geschichtenerzählen, die Musik dauerten an, bis der Mond aufging und helle Sterne am Nachthimmel blinkten. Catherine war erschöpft. Und sie sorgte sich um Eleanor, in der alles Feuer und jede Begeisterungsfähigkeit erloschen schien. Die Schäden an ihrem Hotel waren erschütternd, doch vielleicht hätte sie sich trotzdem entschieden, noch einmal von vorn anzufangen. Aber der Tod von Abel John war zu viel für sie. Sie gab sich die Schuld daran, weil sie die Zerstörung des Heiau nicht verhindert hatte.
»Aber Sie haben doch die Steine nicht wegschaffen wollen! Das war Ihr Partner! Er hat darauf bestanden. Er hat die Arbeiter hergebracht. Es ist nicht Ihre Schuld«, sagte Catherine nachdrücklich.
Doch Eleanor war zutiefst niedergeschlagen und schien untröstlich.
Als Catherine Beatrice zum Auto brachte, wo sie beide auf Kiann’e warteten, seufzte sie. »Wird es je wieder so sein, wie es war?«
Die imposante Frau legte ihr einen Arm um die Schulter. »Nein. Die Zeiten haben sich geändert. Es ist, wie es ist. Auch Ihr Leben ändert sich. Sie müssen weiterziehen. Ihre Zeit hier ist vorbei. Fahren Sie nach Hause. Es ist das Beste.«
Als sie zurückfuhren, hallte Beatrice’ königlicher Befehl in Catherines Kopf wider. Sie schwieg.
Kiann’e tätschelte ihr die Hand. »Sei nicht traurig. Erinnere dich an die glücklichen Zeiten hier.«
»O ja. Die werde ich nie vergessen«, sagte Catherine, plötzlich von tausend Gefühlen und Erinnerungen durchströmt. »Hawaii hat mich für immer verändert. Danke für deine Freundschaft, Kiann’e.«
Im Halbdunkel des Wageninneren lächelten sie einander wehmütig an. Ob sich ihre Wege noch einmal kreuzen würden?
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16
D er Pferderücken glänzte nass von Schweiß, als Catherine oben auf der Hügelkuppe haltmachte und das erschöpfte Tier den Kopf hochwarf. Sie glitt aus dem Sattel, wischte mit der Hand über den feuchten Hals und tätschelte das Pferd, das sie so innig liebte wie früher seinen Vater Parker.
»Gut gemacht, Pani. Ich glaube, wir haben einen neuen Rekord aufgestellt.«
Lose band sie die Zügel an einen Baum und setzte sich auf ihren Lieblingsstein, während das Pferd zu grasen begann. Wie
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