Der Duft der Rosen
Bindung zu den Jungen.
Bei seiner letzten Sitzung war Raul Perez nach dem Unterricht geblieben, um mit ihm zu sprechen. Er wollte wissen, ob er es nach Zachs Meinung irgendwann später auf ein College schaffen würde.
“Ich denke, dass du eine sehr gute Chance hast, Raul. Es wird viel Arbeit kosten, doch alles ist möglich. So viel kann ich dir jetzt schon sagen.”
Raul lächelte. Der Gedanke an harte Arbeit störte ihn offensichtlich nicht. Liz Conners konnte recht haben mit dem Jungen. Es schien etwas Besonderes an ihm zu sein, auch wenn Zach es nicht benennen konnte.
Als er aus dem Jeep stieg, sah er den Jungen über die Weide gehen. Ein großer, grimmig aussehender Teenager, der nur so lange hart wirkte, bis man ein bisschen tiefer grub. Dann erkannte man das gleiche Bedürfnis, das auch Zach als Junge gehabt hatte: die Sehnsucht nach jemandem, der einen liebt.
Zach wusste, dass Raul seinen Vater nicht kannte und seine Mutter gestorben war, als er zwölf war. Seine Schwester und ihr Mann waren die einzige Familie, die Raul hatte.
Zach hatte Eltern. Eine Art Eltern. Doch Teresa Burgess, seine Mutter, war viel zu beschäftigt damit gewesen, Fletcher Carson glücklich zu machen, als dass sie sich um ihren Sohn hätte kümmern können. Zach war neun gewesen, als seine Eltern ihre langjährige Beziehung beendeten und sein Vater das Sorgerecht für den Sohn einforderte.
Teresa hatte eingewilligt – für eine Gegenleistung. Sie hatte Zach wie ein Stück Vieh eingetauscht gegen ein neues Auto und das kleine Haus, das Fletcher für sie gekauft hatte. Seinen Sohn nahm er mit auf den Familiensitz auf Harcourt Farms. Doch damit begann für Zach ein Leben in der Hölle.
Zach ging weiter zum Geräteschuppen, um sein Werkzeug zu holen, als Raul ihm über den Weg lief.
“Brauchen Sie Hilfe?”, fragte der Junge.
“Ich dachte, du wolltest das Vieh füttern.”
“Habe ich schon erledigt. Die Milchkühe sind auch versorgt. Ich kann gut mit dem Hammer umgehen.”
Er konnte gut mit allem auf der Farm umgehen, das hatte Zach schon bemerkt. Und er schien die harte Arbeit wirklich zu genießen.
“In Ordnung. Je mehr Hilfe wir haben, desto schneller sind wir mit dem Ding fertig. Sam will das Alfalfa einlagern, bevor der Sommer vorbei ist.”
“Klingt gut.” Raul folgte Zach in den Schuppen, wo er sich ebenfalls Nägel und einen Hammer holte. Gemeinsam gingen sie zur Scheune. Für einen Moment wurde Raul langsamer. Sein Blick wanderte über die Felder zu den bunten Punkten in der Ferne.
“Was ist?”
“Die Rosen. Sie sind in dieser Jahreszeit so schön.” Auf 260 Hektar blühten die Rosen auf den Feldern, die an Teen Vision angrenzten. Von der Luft aus betrachtet war der Boden geradezu übergossen mit roten, gelben, pinkfarbenen und weißen Farbtupfern. Von Mai bis September trug der Wind den Blütenduft über die Felder, sodass er die ganze Luft erfüllte.
Zach hatte den Duft immer gemocht. Vielleicht gab es ja doch noch etwas, das für San Pico sprach.
ACHT
M aria konnte nicht schlafen. Miguel arbeitete wieder spät, und das Haus schien merkwürdig leer zu sein. Sie hatte einige Freundinnen gefunden, seit sie auf Harcourt Farms lebte, doch die meisten von ihnen waren mit ihren Männern zum nächsten Job weitergezogen. Ihre beste Freundin war Isabel Flores. Sie arbeitete für Mr. Harcourt und lebte im großen Haupthaus. Obwohl sie nur wenige Jahre älter war als Maria, hatte sie es schon zu Mr. Harcourts Haushälterin gebracht. Sie kümmerte sich um das Haus – und um seine anderen persönlichen Bedürfnisse.
Isabel arbeitete gern dort. Sie hatte Maria erzählt, dass Mr. Harcourt sich gut um sie kümmerte. Sie meinte damit nicht seine gelegentlichen Besuche in ihrem Bett. Tatsächlich genoss sie die. Und sie war vorsichtig. Auch wenn sie jeden Sonntagmorgen deswegen zur Beichte gehen musste, nahm sie die Pille, damit sie nicht von ihm schwanger wurde.
Maria setzte sich im Bett auf. Vielleicht sollte sie sich wieder anziehen und Isabel besuchen, um ihrer besten Freundin zu erzählen, was ihr widerfahren war. Sie würde ihr von den Untersuchungen berichten und von den Sitzungen mit Dr. James. Doch es war wirklich schon zu spät für einen Besuch, und Miguel würde bald nach Hause kommen.
Zumindest hoffte sie das. Sie dachte daran, ins Wohnzimmer zurückzugehen, um noch ein wenig fernzusehen, doch sie war müde. Nach ihrer Rückkehr von der Sitzung mit Dr. James hatte sie im Gemüsegarten gearbeitet, wo
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