Der Duft der roten Akazie
zu Harvey. Allerdings boten sich nicht viele andere Möglichkeiten. Wenigstens schien Adam bereit zu sein, sich eine Weile auszuruhen, wenn sie die Tea-Tree-Farm erreicht hatten. Sie wünschte, der ständige Regen würde endlich aufhören.
Leider vergeblich.
Einige Stunden lang hing der Himmel drohend über ihnen, als hätte er schlechte Laune. Dann öffnete er erneut seine Schleusen, und es regnete so heftig, dass die letzten trocken gebliebenen Gegenstände im Nu ebenfalls durchnässt waren. Aber sie waren machtlos dagegen und konnten nichts tun, als weiterzureiten.
Nach einer Weile hielten sie an, um sich und den Pferden Ruhe zu gönnen. Adam aß nur ein paar Bissen Brot, doch der Tee schien seine Lebensgeister wieder zu wecken. Man merkte ihm sichtlich an, wie schwer es ihm fiel, wieder in den Sattel zu steigen. Ella selbst war so erschöpft, dass sie sich am liebsten auf den Boden gelegt und tagelang geschlafen hätte. Aber wenn Adam durchhielt, musste sie auch stark bleiben.
Die endlosen, trüben Stunden schienen zu einer zu verschmelzen, als sie ihren Weg fortsetzten. Schließlich wurde es so dunkel, dass Ella nur noch ein paar Meter weit sehen konnte. Adam spähte angestrengt in die Ferne. Plötzlich hob er den Kopf, wie Wolf es getan hatte, wenn er eine vertraute Witterung aufnahm. »Wir sind da«, verkündete er erleichtert.
Ella schwindelte vor Aufregung. Sie schaute in dieselbe Richtung wie Adam, konnte jedoch nichts ausmachen, was auf eine Behausung hinwies. »Woher weißt du das?«, fragte sie ihn besorgt.
Adam wandte sich um. »Ich erkenne den Hügel da drüben. Dahinter befindet sich ein Tal. Dort hat Harvey seine Schäferhütte.« Unvermittelt fing er an zu zittern.
»Adam!«
»Alles in Ordnung.«
»Das macht mir gar nicht den Eindruck«, entgegnete sie.
Er wischte sich das Regenwasser vom Gesicht und zwang sich zu einem Lächeln. »Mir ging es schon besser. Ist es das, was du hören wolltest?«
Das war es ganz und gar nicht. Aber zumindest würden sie bald im Trockenen sein. Und bei Harvey, fügte sie in Gedanken hinzu und verzog das Gesicht.
Wortlos ritten sie weiter. Es dauerte eine Ewigkeit, den Hügel zu erreichen, der ihnen so nah erschienen war. Obwohl Ella vor Müdigkeit jeder Knochen im Leibe wehtat, nahm sie sich zusammen. Adam hatte Mühe, sein Pferd anzutreiben. Wie er gesagt hatte, öffnete sich vor ihnen ein Tal. Und auf seinem Grund flackerte ein einsames Licht.
Ella lachte vor Erleichterung auf, auch wenn ihr die Tränen in den Augen standen. Sie stieß ihrem erschöpften Pferd die Fersen in die Flanken und preschte den Hügel hinunter, hinter Adam her. Irgendwo unterwegs überholte sie ihn und kam deshalb zuerst bei der Hütte an.
Aufgeschreckt vom Gebell der Hunde und dem ängstlichen Wiehern des Pferdes, trat ein Mann vor die Tür. Im Schein der Laterne in seiner Hand stellte Ella fest, dass er einen Hut trug, obwohl es fast Schlafenszeit war. Das Gesicht darunter war mager, eingefallen und lag im Schatten.
»Harvey«, flüsterte Ella und lächelte ihn an, als hätte sie noch nie etwas so Schönes gesehen.
»He, Kumpel, du hast hier nichts verloren«, rief Harvey mit der rauen Stimme, an die sie sich noch gut erinnerte. »Das ist die Tea-Tree-Farm und kein Goldfeld.«
»Ich weiß«, erwiderte sie laut. Als sie vom Sattel glitt, gaben ihre Beine nach, sodass sie sich festhalten musste, um nicht auf dem schlammigen Boden zu landen.
Offenbar verwirrt von dem Widerspruch zwischen Männerkleidung und Frauenstimme, musterte Harvey sie verblüfft. Im nächsten Moment wanderte sein Blick zu dem Mann, der gerade eingetroffen war. Adam saß schwankend und keuchend im Sattel. Zögernd machte Harvey zwei Schritte vorwärts und hob die Lampe, um Adam ins Gesicht zu schauen.
»Adam?«, rief er aus. »Um Himmels willen, was ist denn mit dir passiert? Da hat dich jemand ganz schön in die Mangel genommen.«
»Stimmt«, antwortete Adam mit heiserer Stimme. »Können wir ein paar Tage bei dir unterkommen, Harvey? Wir sind ziemlich erledigt.«
Eine schamlose Untertreibung, dachte Ella spöttisch.
Harvey warf einen Blick auf Ella und betrachtete auch sie im Lampenschein. »He, du bist doch die Frau ohne Schuhe, die ich an Seaton’s Lagune aufgelesen habe.«
Ella lachte. Es löste ein merkwürdig freudiges Gefühl in ihr aus, dass sie endlich jemand erkannte. »Ja, ich bin die Frau von Seaton’s Lagune.« Da ihre Beine sie nun trugen, ließ sie das Pferd los. Adam saß noch im
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