Der Duft der roten Akazie
sind zusammen, seit du mich an Seaton’s Lagune aufgelesen hast.«
Harveys Augen verengten sich erstaunt, und er grinste. »Dann war es ein Glück für euch beide, dass ich ausgerechnet an diesem Abend dort vorbeigeritten bin, was?«
Ella konnte ihm nicht widersprechen. Sie räusperte sich. »Wie lange kennst du Adam schon?«, erkundigte sie sich, nicht nur, um Konversation zu betreiben, sondern auch, weil es sie interessierte.
»Seit er ein junger Bursche war. Wir kommen beide aus Sydney und haben für einen Mann namens Ollie McLeod gearbeitet.«
Ella betrachtete ihn überrascht. »Er hat einen Ollie McLeod erwähnt.«
Als Harvey das Gesicht verzog, erinnerte es noch mehr an eine Fratze. »Das kann ich mir denken. Ollie hatte Adam auf dem Kieker. Der Junge war ihm zu klug. Außerdem hat seine Ma ihn so erzogen, dass er jedem Mann, ganz gleich wie wichtig er auch sein mag, ohne Scheu in die Augen schaut.« Er zögerte. »Ollie McLeod ist der Besitzer der Tea-Tree-Farm. Ihm gehören zwei Farmen in Victoria. Diese hier und noch eine im Norden am Campaspe River. Ich habe vor vier Jahren als Verwalter angefangen, aber ich hatte kein Händchen dafür. Habe tiefer ins Glas geschaut, als gut für mich war. Also bin ich hier draußen als Schäfer gelandet. Doch das macht nichts, wenn einen das Alleinsein nicht stört.« Harvey schien wegen seines gesellschaftlichen Abstiegs keinen Groll gegen die Welt zu hegen.
Es wunderte Ella, dass Harvey und Adam einander so gut kannten. Und dann wieder dieser Name. Ollie McLeod. Sein Einfluss reichte sogar bis hierher.
»Wusste Adam, dass du auf der Tea-Tree-Farm bist?«
»Ja. Als er aus Kalifornien zurückkam und in Melbourne landete, hat er an mich gedacht. Er wollte mir von seiner Mutter erzählen.«
»Von ihrem Tod?«
Harvey blickte sie an und nickte. »Ich kannte seine Ma. Wir standen uns einmal sehr nah. Ich war sehr traurig zu hören, dass sie nicht mehr lebt. An dem Abend, an dem wir dich fanden, hatte Adam mich besucht und war auf dem Rückweg zur Straße nach Melbourne. Ich wollte ihn begleiten. Ich brauchte was zu trinken.«
Er sagte das ganz sachlich. Harvey redete nicht um den heißen Brei herum.
»Ich habe noch nie erlebt, dass Adam etwas mit einer Frau anfängt, die in Männerkleidern herumläuft. Ist das eine neue Marotte von ihm?«
»Es gab einen Grund dafür«, entgegnete Ella kühl und errötete dann.
Harvey grinste.
Ella folgte ihm ins Nebenzimmer. Im Kamin brannte ein Feuer. Harvey setzte einen großen Kessel mit Eintopf zum Aufwärmen auf und kochte Tee. Dankbar labte sich Ella an dem heißen Getränk. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie ebenfalls nass und durchgefroren war. Harvey sah sich zu ihr um. »Wenn du dich in eine Decke wickeln möchtest, kannst du deine Kleider am Feuer trocknen. Ich hole inzwischen eure Sachen rein und sehe nach den Pferden.«
Ella wurde klar, dass sie wegen ihrer Bemühungen, Adam ins Warme zu bringen, beides vergessen hatte. Außerdem wollte Harvey ihr offenbar die Möglichkeit geben, sich ungestört auszuziehen.
Als er zurückkam, hatte Ella sich fest eingewickelt. Ihre nassen Sachen hingen dampfend am Kamin. Harvey goss heißes Wasser in einen Becher und gab einige Blätter dazu, die aussahen wie Tee, jedoch bitter rochen. »Die helfen gegen fast alles«, erklärte er Ella verschwörerisch. »Ein Händler hat sie mir verkauft. Er war ein weiser Mann und kannte sich in diesen Dingen aus.«
Ella schnupperte zweifelnd und fand, dass sie der Geruch an Salbei erinnerte. »Glaubst du wirklich, dass er so eine Medizin braucht?«, begann sie zögernd.
Doch Harvey ging mit dem Becher in Adams Zimmer, half ihm, sich aufzusetzen, und flößte ihm das Gebräu ein, ehe Ella weiter protestieren konnte. Adam hustete und pruste und stieß den Becher mit erstaunlicher Kraft beiseite.
Ein blutunterlaufenes Auge öffnete sich und sah Harvey, der ihm freundlich zugrinste, finster an. »So, Adam, das macht dich im Nu wieder gesund.«
»Oder es bringt mich um«, schimpfte Adam und warf Ella einen kurzen Blick zu. »Glaub diesem Mann kein Wort«, warnte er.
Harvey schmunzelte. »Klingt, als wärst du fast wieder der Alte.«
In den drei Tagen, die sie auf der Tea-Tree-Farm verbrachten, begann Adam, endlich zu genesen.
»Der Herr liebt auch die Sünder«, verkündete Harvey. Sein zahnloses Grinsen strafte die frommen Worte Lügen.
Tagsüber war Harvey mit seinen Schafen unterwegs. »Ich muss aufpassen, dass ihnen nichts zustößt.
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