Der Duft der roten Akazie
steil und schmal und führten zum Rand der Klippe etwa sieben Meter über ihnen.
Hinter ihnen drang ein Lichtstrahl aus dem Geheimgang und traf die Felswand. Ella hörte ein Rascheln und Scharren, als sich jemand hastig an die Verfolgung machte.
Obwohl sie den Anstieg kaum begonnen hatten, zitterten ihre Beine bereits. Adam schleppte sie, manchmal zwei Stufen auf einmal nehmend, hinter sich her. Der Rand der Klippe kam näher, und darüber sah Ella die Sterne funkeln. Dann standen sie oberhalb des Shipwreck. Unter ihnen erstreckten sich die Rocks in schwindelerregenden Tiefen. Hier und da war in der Dunkelheit ein Licht zu erkennen, und leise Musik wehte heran.
Es war kaum zu fassen, dass dort unten das Leben einfach weiterging.
»Schaut! Da oben!« Eine Männerstimme. Ella glaubte sie zu erkennen. Es war der junge Mann mit den alten Augen, der Ned getötet hatte und sie ebenfalls hatte ermorden wollen.
Als sie sich umdrehte, bemerkte sie schattenhafte Gestalten im Schein einer Laterne. Der Mann in der ersten Reihe hob den Kopf, sodass sein Gesicht plötzlich deutlich zu sehen war.
»Es ist Ollie McLeod«, flüsterte sie. »Er will mich holen.«
29
Nicht, wenn ich es verhindern kann«, murmelte Adam. Mit einem letzten Satz überwand er den Rand der Klippe und zog Ella mit sich. Sie sackte auf dem Boden zusammen und wäre wohl liegen geblieben, wenn er sie nicht auf die Füße gezerrt hätte.
Ella stellte fest, dass es sich nicht um einen Felsgrat, sondern um eine Straße handelte – oder zumindest das, was in den Rocks als Straße durchging. Es war eher ein schmaler Ziegenpfad, der sich zwischen Treppen und Felsen schlängelte und von willkürlich verteilten Hütten gesäumt wurde. Manche waren alt und verfallen. Ella konnte sich kaum vorstellen, dass jemand darin wohnte.
Offenbar lag irgendwo ein Kadaver herum, denn Ella stieg ein abscheulicher Gestank in die Nase. Selbst nach ein paar Metern hielt sich der Geruch des Todes hartnäckig.
»Weißt du, wo wir sind?«, keuchte Ella, während sie neben Adam herrannte und sich an seine Hand klammerte wie an eine Rettungsleine.
Es war kaum zu glauben, dass Adam in einer solchen Situation lachen konnte. »Ich kenne dieses Viertel wie meine Westentasche.«
Da fiel ihr ein, dass er ja hier aufgewachsen war. Allerdings kannte sich Ollie ebenfalls in den Rocks aus, denn er hatte mit seiner Schwester Catherine hier angefangen, sein Vermögen zu machen.
»Ich habe ihm geholfen, einen Gasthof zu führen«, hatte Catherine gesagt. »Dort hat er die dunkle Seite von Sydney kennengelernt.«
Nach Atem ringend und mit schmerzender Brust eilte Ella weiter.
Plötzlich ertönte hinter ihnen ein kurzer, lauter Knall. Etwas prallte neben Ella gegen einen Felsen. Ollie McLeod und seine Männer hatten Pistolen.
Adam zog sie um eine Ecke, eine Treppe hinunter und um noch eine Kurve. Dort war es dunkler, weil hohe Mietskasernen das Licht der Sterne blockierten. Einige Männer schlenderten auf sie zu, suchten aber das Weite, als ein zweiter Schuss erklang. Adam wurde nicht langsamer. Er lief eine in den Felsen gehauene Rampe hinauf und duckte sich unter etwas, das eine Veranda zu sein schien.
In Ellas Kopf herrschte ein eigenartiges Schweigen, als blendete die Angst die raschen Schritte und Stimmen aus. Adams Herz pochte unter ihrer Wange.
Das Holz der Veranda über ihnen war verfault, und der Boden bestand hauptsächlich aus Ritzen und gebrochenen Brettern. Übel riechende Flüssigkeiten tropften auf sie herunter. Jemand ging langsam in der Hütte hin und her. Der Bewohner schien alt zu sein.
Mit angehaltenem Atem drehte Ella den Kopf und blickte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Dunkle Gestalten hoben sich kurz vom Himmel ab, bevor sie die Treppe hinunter im Schatten verschwanden. Sie hörte das Scharren ihrer Stiefel und den leisen Fluch eines Mannes, der beinahe gestolpert wäre. Die Männer hasteten an der Rampe vorbei, die Adam hinaufgelaufen war, und rannten die steile Straße hinauf, hinein ins Herz der Rocks. Dann waren sie fort.
Adam bewegte sich, aber Ella grub die Nägel in seinen Arm. »Nein«, zischte sie.
»Sie sind weg«, murmelte er.
»Nein!« Wie sollte sie ihm ihre felsenfeste Überzeugung vermitteln, warum es besser war zu warten? Im nächsten Moment erschien eine Gestalt oben an der Treppe, wie Ella es von Anfang an gewusst hatte.
Adam erstarrte.
Der Mann lief polternd die Treppe hinunter und blieb keuchend vor der Rampe stehen, wo er
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