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Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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sich zugezogen haben, indem sie etwas Falsches gegessen oder getrunken hat oder einfach nur, weil ihre Kleidung feucht war.«
    So wie du, dachte Ella.
    Der Arzt beugte sich über sie und drückte auf die fast abgeheilte Beule an ihrer Schläfe, bis Ella zusammenzuckte. »Sie sagten, sie hätte einen Schlag auf den Kopf abgekriegt? Nun, auch das kann etwas damit zu tun haben. Ich habe festgestellt, dass Menschen, die bei ihrer Ankunft auf den Goldfeldern nicht kerngesund sind, schneller erkranken als andere. Die Goldfelder sind der Gesundheit nicht eben förderlich, Sir!« Im nächsten Moment wurde er wieder ernst. »Was hat sie gegessen? Hat sie im Freien geschlafen?«
    Adam erklärte ihm alles.
    Der Arzt seufzte auf. »Tja, da habe ich schon Schlimmeres gehört. Doch wenn sie wieder gesund werden soll, muss sie sich besser ernähren. Frisches Gemüse, Milch, Eier.« Seinem Tonfall war zu entnehmen, dass er sich in dieser Hinsicht keine großen Hoffnungen machte. Frische Lebensmittel waren auf den Goldfeldern Mangelware, und die meisten Menschen lebten von Hammelfleisch und Tee. »Außerdem muss sie es warm und ruhig haben, bis sich das Fieber legt. Dann sehe ich sie mir noch einmal an.«
    Kitty murmelte, dass manche Leute offenbar glaubten, das Geld wüchse an Bäumen.
    »Ich lasse ihr ein paar Pillen da«, fuhr er fort, ohne auf sie zu achten. »Und geben Sie ihr genug frisches Wasser zu trinken. Sie können es auch mit Brühe versuchen. Ich werde ein Tonikum mischen, damit sie wieder zu Kräften kommt. Morgen früh können Sie es bei mir abholen.«
    »Was kostet das?«, erkundigte Kitty sich argwöhnisch.
    »Sei still, Kitty.« Adam klang erschöpft und ungehalten, doch seinen Worten fehlte die Schärfe. »Ich werde gleich morgens bei Ihnen sein«, teilte er dem Arzt mit.
    Der Mann musterte ihn eine Weile und überlegte offenbar, ob er seine Zeit vergeudete. Anscheinend kam er zu dem Schluss, dass das nicht so war, denn er sprach weiter. »Ich habe auf den Goldfeldern schon schwerere Fälle erlebt. Häufig lässt der Patient dem Schicksal seinen Lauf und hofft, wieder gesund zu werden, ohne Geld für einen Quacksalber ausgeben zu müssen. Wenn diese Leute schließlich merken, dass es ohne Arzt nicht geht, ist es oft zu spät.« Eine gewisse Schicksalsergebenheit schwang in seinen Worten mit. »Es war richtig von Ihnen, keine Zeit zu verlieren. Falls Sie sich an meine Empfehlungen, was die Ernährung und die Ruhe betrifft, halten, ist sie bald wieder wie neu.«
    Als er sich verabschiedete, blickte Kitty ihm finster nach. »Wie viel hat er verlangt?«
    »Ein Pfund«, erwiderte Adam spöttisch. »Ich musste bis zum Long Gully marschieren, bis ich ihn fand.« Als er die Hand auf Ellas Stirn legte, waren seine Finger wie Feuer auf Eis. »Hat sie etwas gesagt?«
    »Nein. Das heißt, nichts, was einen Sinn ergeben hätte. Etwas über eine graue Stute.«
    Schweigen entstand. »Wie komme ich an frisches Gemüse?«, seufzte Adam müde.
    »Indem du betest«, antwortete Kitty bedrückt. »Wird sie sterben?«, fügte sie so leise hinzu, dass sie glaubte, Ella könne es nicht hören. – »Nicht, wenn ich es verhindern kann«, entgegnete er.
    Der Tannenwald war dicht und dunkel. Ein würziger Geruch stieg ihr in die Nase. Sie rannte. Ihre nackten Füße schwebten über dem Boden. Im Vorbeilaufen streifte sie jeden der geraden rauen Stämme mit prickelnden Fingerspitzen. Hoch über ihr folgte ihr der Mond, lugte zwischen den Wolken hervor und beteiligte sich an ihrem Versteckspiel.
    Sie war wieder ein Kind, sorglos und in der Lage, das Leben selbstsüchtig zu genießen. Der hochgewachsene Mann mit den kalten Augen und die Reise über den Ozean in ein neues Land und ein neues Leben waren noch Zukunftsmusik. Die älteste Tochter eines Großgrundbesitzers zu sein bedeutete oft eine große Belastung. So viel wurde von ihr erwartet, und sie stand ständig unter Beobachtung. Einmal, in Inverness, hatte sie einen Löwen in einem Käfig gesehen. Sie erinnerte sich noch gut an seine geschmeidige Anmut und den ruhelosen Zorn in seinen Augen. In gewisser Weise fühlte sie sich wie er, auch wenn sie nicht wusste, warum.
    Hinter ihr riefen Stimmen. Fackeln leuchteten. Aber sie stand allein auf der Lichtung im Tannenwald, blickte zum Mond hinauf und träumte von der Freiheit.
    Das Schweigen war so tief, dass es beinahe ein eigenes Geräusch zu erzeugen schien. Ella lag reglos da und lauschte. Sie fühlte sich zwar erschöpft, aber eigentlich

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