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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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sonoren Bariton.«
    »Dann kannst du ja auch die Anrufe beantworten«, gab Jan müde zur Antwort.
    Barbara schüttete jeweils eine ordentliche Portion Rum in die Tassen und brachte sie zu Jan an den Tisch. »Hermann passt auf. Hermann lässt keinen rauf.« Sie trug immer noch ihren Jogging-Anzug und ihr Gummiband im Haar, als hätte sie sich seit Tagen nicht umgezogen. »Aber wenn du meinst.« Sie ging hin und stöpselte das Telefon wieder ein. »Beruhigt?«
    Jan schlürfte seinen Pharisäer und nickte, aber es stimmte nicht, er war höchst beunruhigt.
    ***
    Nachdem auch das nächste Wochenende im Club ohne Alexanders Anruf verstrichen war, wartete Rosalie nicht erst den Montag ab. Noch vom Club aus rief sie Alexander an.
    Barbara hatte schon geschlafen. Sie erkannte sofort Rosalies Stimme. Erst einmal hustete sie kräftig und lange in die Muschel. Dann langte sie unters Bett, zog eine Wollsocke hervor, zog ihn über den Hörer und krächzte: »Asiatische Grippe, sehr ansteckend, kann nicht sprechen, bin total heiser. Grüße die Mädels und gib Markus einen Kuss von mir, der darf sich gern anstecken.« Barbara schickte ein Kichern aus den Tiefen ihres Brustkorbes hinterher und legte auf. Sie stellte sich Rosalies Gesicht vor, das machte sie vergnügt. Bald war sie wieder eingeschlafen.

36
    Die nächsten beiden Wochen waren verdächtig ruhig. Es gab keine Anrufe mehr, nur Jan rief jeden zweiten Tag an, er kam aber nicht mehr vorbei. Der einzige Besuch, den Barbara erhielt, war der Pizzaservice oder ein Bote vom Chinamann. Sie selbst verließ die Wohnung nie. Hermann machte sich seine Gedanken, aber er war nicht besorgt. Professoren waren eben eine besondere Art von Menschen.
    Auch bei Jan und Monika geschahen keine erwähnenswerten Ereignisse, es sei denn, Monikas Neubeginn eines Liebesromans wäre diese Erwähnung wert. Außerdem hatte Monika sich das Büchlein ›Kreatives Schreiben‹ zugelegt und begonnen, ihren Erstling umzuschreiben. Aus dem Loch war sie heraus, wie sie sagte.
    »Nächste Woche müsste Joachim zurückkommen«, sagte sie durch die offene Tür, während sie brütend vor dem leeren Bildschirm saß. Er hatte bei den Autoren das gefürchtete leere Blatt Papier abgelöst. »Merkwürdig, dass er sich diesmal überhaupt nicht gemeldet hat.«
    »Mmh«, brummte Jan, der in der Stube vor dem Fernseher saß.
    Zwei Minuten herrschte Schweigen.
    »Ist heute nicht Dienstag?«, fragte Jan, während er sich unruhig durch die Kanäle zappte.
    »Dienstag!« Monika sprang auf. »Ich habe ja Schreibgruppe. Gut, dass du mich erinnert hast.«
    Jan wartete, bis Monika verschwunden war, dann tätigte er seinen Routineanruf bei Barbara. Normalerweise musste er dazu eine Telefonzelle aufsuchen. »Verdammt!«, murmelte er. Sie hatte wieder das Telefonkabel herausgerissen, die Leitung war tot. Sofort packte ihn die Unruhe. Er schaltete den Fernseher ab und sah aus dem Fenster. Eine fahle Märzsonne lag auf den Dächern.
    Tote Leitung! Wollte sie damit vielleicht seinen Besuch erzwingen? Er hasste es, in ihre hundert Selbstbildnisse zu starren, er hasste den Staub auf ihrem Gerümpel, die Wohnung, die nach vergangenen Jahrhunderten stank, die grauenvolle Unordnung. Aber nicht hinfahren hätte bedeutet, keine ruhige Minute mehr zu haben. Er zog sich an. Waren schon wieder vier Wochen um? Jan hatte über Barbaras Gerümpel fast vergessen, dass sie eine fünffache Mörderin war. Sie hatte ihn um vier Wochen in Kirchs Wohnung gebeten, die Frist war verstrichen. Er musste sie heute auch an ihr Versprechen erinnern.
    Hermann grüßte wie immer, aber als er Herrn von Stein oben ankündigte, antwortete niemand. Er versuchte es mehrmals, nichts.
    »Er ist vielleicht ausgegangen«, fragte Jan hoffnungsvoll.
    »Bestimmt nicht.« Hermann schüttelte energisch den Kopf. »Gestern Abend hat der Mann gegenüber vom Schnellimbiss was geliefert, das hat Walter so aufgeschrieben. Heute Morgen habe ich ihn abgelöst. Geschlafen habe ich nicht während dieser Zeit, Herr von Stein.«
    »Dann …« Jan spürte, wie sein Herz wild klopfte – »dann schläft er vielleicht.«
    »Ja, möglich. Kommen Sie doch in einer Stunde noch einmal vorbei.«
    »Nein, nein!« Jan schob sein blasses Gesicht dicht an die Öffnung. »Es ist dringend! Bitte, können Sie nicht aufschließen? Sie haben doch sicher einen Schlüssel für alle Wohnungen?«
    Hermann zögerte. »Schon – aber …«
    »Ich übernehme die volle Verantwortung!«
    Hermann sah, dass Jan

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