Der Duft des Anderen
ins Wohnzimmer kam, freute sie sich, in diesem Kreise als einer der ihren willkommen zu sein.
Sie machte eine großzügige Handbewegung, die alle in ihre Begrüßung mit einschloss. Dann schob sie ihren Küchenschemel zwischen Stephan und den schönen Manrico. Lästerzungen wollten wissen, dass die beiden wieder ein Paar waren.
Barbara merkte sofort, dass heute eine gedrückte Stimmung herrschte. Und dann erfuhr sie es: Erich Blume hatte einen Selbstmordversuch begangen und lag im Krankenhaus, zum Glück war er außer Lebensgefahr. Barbara konnte es kaum glauben. Die bei jedermann beliebte ›Gräfin Mariza‹, Erich Blume, der Tausendsassa, der Scherzkeks, der Lebenskünstler, der sollte versucht haben, sich das Leben zu nehmen? Hatte er nicht mit seiner neuesten Show große Erfolge gehabt?
Ja, das Publikum liebte ihn, seine Freunde mochten ihn, aber der eine, auf den es ankam, der hatte ihn verlassen. Nach fünf Jahren und natürlich wegen eines Jüngeren.
»Er war doch noch nicht so alt«, wunderte sich Barbara. »Neununddreißig, nicht wahr?« Ein Alter, in dem eine Frau mitten im Leben stand, ja wo manch eine erst richtig anfing zu leben. Und für Erich Blume sollte schon alles aus sein?
»Erich war schon seit vier Jahren neununddreißig«, antwortete Kai, während er die Teller für Salat und Würstchen verteilte. »Einer von denen, die nie vierzig werden. Manche bleiben ewig neunundzwanzig, haben schon vor dem Dreißigsten einen Horror.«
»Du auch?«
»Ich bin schon einunddreißig«, lachte Kai, »außerdem bleibt mir Andreas treu bis achtzig, nicht Andreas?«
Der brachte gerade die heißen Würstchen herein. Er nickte. Vielleicht dachte er daran, dass ihm nichts anderes übrig blieb, während sein lebenslustiger Freund sicher noch etliche Chancen hätte, zumal er aussah wie fünfundzwanzig.
»Also ich würde mir niemals wegen eines Lovers, der mich verlässt, das Leben nehmen, das ist doch keiner wert.«
»Na, dann bräuchtest du ja auch zehn Leben.«
»Du musst es gerade sagen, dir sind ja Fünfzehnjährige schon zu alt.«
»Und dich habe ich auf der Seniorenklappe gesehen.«
»Ist doch nicht wahr. Ich bin noch nie in deiner Wohnung gewesen.«
»Diese halb garen Bübchen sind doch fade. Ich bevorzuge richtige Männer.«
»Du Ärmster, dann wirst du ja ewig allein bleiben.«
»Ach ja? Ich habe gehört, du hättest ein erotisches Verhältnis zu deinem Staubwedel?«
Barbara beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Weshalb gingen alle über das tragische Geschehen mit dummen Witzen hinweg? »Hat ihn schon jemand im Krankenhaus besucht?«, verschaffte sie sich Gehör.
Alle verstummten. »Erich ist doch erst seit gestern Abend drin«, sagte Ulli.
»Dann können wir ihn doch morgen Nachmittag besuchen.«
»Wir alle?«
»Natürlich. Wenn wir alle gemeinsam bei ihm auftauchen, was meint ihr, wie ihn das freuen wird.«
»Und die Pfleger sollen auch ganz schnuckelig sein«, kam es von Luigi.
»Leute! Übt eure Henkelgriffe und holt eure rosa Hemden raus, ich habe lange keinen Chefarzt mehr in Ohnmacht fallen sehen.«
»Ist morgen nicht Donnerstag? Da gebe ich Klavierstunden.«
»Und ich habe ich meinem Chef versprochen, ihm morgen bei der Abrechnung zu helfen.«
»Ich muss im Laden sein, morgen ist langer Donnerstag.«
»Aber Freitag könnte ich – ja, ich vielleicht auch – oder lieber am Samstag? – Sonntag wäre gut. – Montag ist es nicht so voll. – Also Montag? – Mal sehen.«
Barbara stieß Stephan an. »Und du? Kommst du morgen Abend mit?«
Stephan räusperte sich. »Weißt du, von diesem Karbolgeruch wird mir immer ganz schlecht. Und dann diese Krankenflure, wo sie in ihren Bademänteln auf und ab laufen, davon bekomme ich Depressionen.«
»Und außerdem riecht es im Krankenhaus immer nach Tod«, fügte Richard elegisch hinzu.
»Am besten, wir besuchen Erich, wenn er wieder zu Hause ist«, schlug Andreas vor.
Der Vorschlag stieß auf allgemeine Begeisterung. »Prima, Erich hat eine so irre Wohnung, mitten in der Szene, vollgestopft mit Theaterrequisiten«, schwärmte Kai. »Wart ihr schon mal bei ihm?«
Die Diskussion drehte sich von nun an um Erichs Fundus. Barbara sah auf die Uhr: halb neun. Es gab Krankenhäuser, die achteten nicht so genau auf die Zeiten. Vielleicht konnte sie Erich jetzt gleich besuchen, und Stephan hätte sie damit auch ausmanövriert. Sie hatte sich heute über ihn geärgert.
»In welchem Krankenhaus liegt Erich denn?«
Zwei, drei entnervte
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