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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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ihnen unaufgefordert serviert wurde. Dann wusch sie sich ausgiebig, zog ein sauberes Kleid an und flocht ihr Haar zu einem Zopf. Als der Zeiger der Uhr auf die sechste Stunde zurückte, verbarg sie wieder einmal ihr Haar unter einem Hut, um nicht unnötig aufzufallen, schlang einen Schal um ihre Schultern und machte sich auf den Weg. An der Rezeption teilte sie mit, dass Julio noch ein Abendessen bekommen sollte, dann ging sie nach draußen.
    Die Stadt war recht belebt. Einige elegant gekleidete Herrschaften zogen in Einspännern vorbei. Spaziergänger flanierten auf den hohen Bürgersteigen, während die zahlreichen Indios rasch die Straße entlanghuschten, immer bestrebt, keinen Ärger auf sich zu ziehen. Ihr fiel ein, dass Andrés hier vermutlich den Gehsteig auch nicht benutzen durfte. Wenn er sich so kleiden würde wie ein wohlhabender Ladino, wäre es vielleicht anders. Roderigo war auf dem Gehsteig gelaufen, erinnerte sie sich. Aber sie ahnte, dass Andrés trotz aller Kritik an seinem Volk niemals bereit wäre, sich durch Verkleidung Vorteile zu verschaffen.
    Sie trat von einem Fuß auf den anderen und spähte in die Menge. Der Glockenturm el Arco del Carmen hatte bereits die sechste Stunde verkündet. Es würde bald zu dämmern beginnen. Einige der vorbeigehenden Männer musterten sie eindringlich und lächelten ihr verstohlen zu. Bald schon würde es dunkel werden, und da anständige Frauen dann auf der Straße nichts mehr zu suchen hatten, würde sie sicher deutlichere Angebote erhalten. Alice wanderte ein bisschen auf und ab, doch auch dabei fehlte ihr der männliche Begleiter, um sie vor der Aufmerksamkeit anderer Männer zu bewahren. Wenn wenigstens Julio wieder auf den Beinen wäre! Und wo zum Teufel steckte Andrés?
    Als vor dem Hotel die Straßenlaternen zu leuchten begannen, da die Dunkelheit sich wie ein schweres Tuch auf die kleine Stadt gelegt hatte, verwandelte Alice’ Ärger sich in Unruhe, schließlich in Angst. Sie schalt sich, dass sie Andrés nicht genauer gefragt hatte, wo er hingehen würde. Dass er einfach wieder verschwunden war, vermochte sie sich nicht vorzustellen, doch mit der Zeit begannen Zweifel in ihr zu nagen. Sie bohrte die Nägel in ihre Handflächen. In ihr Zimmer zu gehen und sich erst einmal schlafen zu legen, dazu war sie nicht fähig. Aber was sollte sie tun?
    »Señorita!«, hörte sie schließlich einen Mann rufen. Sie fuhr herum. Roderigo kam auf sie zugeeilt, immer noch makellos gekleidet, auch wenn sein weißes Hemd ein paar Flecken abbekommen hatte. Eines zum Wechseln besaß er offenbar nicht.
    »Su amigo«, keuchte er. »Dieser Indio aus Chamula, der sagte, dass Sie … aber egal, er sitzt im Gefängnis.«
    Alice schnappte nach Luft. Zunächst einmal empfand sie tiefe Erleichterung, eine Erklärung für Andrés` Verspätung zu erhalten. Dann wurde ihr schwindelig.
    »Aber warum denn?«
    »Genau weiß ich es nicht.« Er blieb heftig atmend vor ihr stehen, denn er war sehr schnell gerannt. »Er wurde verhaftet, weil er sich mit einem Ladino stritt, ich glaube, weil man ihn für eine Arbeit verpflichten wollte, der er nicht zugestimmt hatte. Dann kam der Polizeichef hinzu und stellte fest, dass ebendieser Indio, Andrés Uk’um, gesucht wird. Und da sperrten sie ihn ein.«
    »Aber das ist alles ein Irrtum. Er ist unschuldig!«, rief Alice aufgebracht und sah sich ratlos um. Außer Roderigo und dem verletzten Julio gab es niemanden in der Stadt, den sie kannte. Doch sie kannte die hiesige Gesellschaft inzwischen gut genug, um zu wissen, dass die Unterstützung zweier Indios ihr gegenüber Autoritätspersonen nicht viel nutzen würde. Sie brauchte einen Mann, den man ernst nahm. Dr. Scarsdale kam nicht mehr infrage. Hans Bohremann war weit weg auf seiner Hazienda, und Juan Ramirez hatte sie erfolgreich vergrault. Angst begann ihr die Kehle zuzuschnüren.
    »Ich wusste, dass Sie in diesem Hotel wohnen«, fuhr Roderigo fort. »Und ich dachte, Sie wollen es vielleicht erfahren.«
    Seine Augen ruhten abwartend auf ihr, und sie begriff, dass er sich eine weitere Belohnung für seine Hilfsbereitschaft erhoffte.
    »Bring mich zu diesem Gefängnis!«, sagte sie schließlich, denn es blieb ihr nichts anderes übrig, als die Dinge erst einmal allein zu regeln. »Sobald Hans Bohremann von der ganzen Geschichte erfährt, wird er sich erkenntlich zeigen, weil du mir geholfen hast.«
    Er verzog kurz das Gesicht, denn sie hatte den Namen des Kaffeebarons wohl schon zu oft erwähnt,

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