Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
vorhin nochmals mit Manon gesprochen«, fuhr ich fort. Als ich den Namen seiner Geliebten erwähnte, bemerkte ich, wie sich sein Ausdruck veränderte, aber er sagte noch immer nichts. » Jetzt weiß ich mehr. Ich weiß von seiner Krankheit. Ich glaube nun auch zu wissen, warum er weggegangen ist. Aber ich muss ihn unbedingt finden, um ihm zu sagen … es ist wirklich wichtig, dass ich ihn wiedersehe. Es ist wichtig für ihn und seine Zukunft. Unsere Zukunft. Ich muss wissen, wo er ist.« Aszulay sah mich noch immer an. Ich wurde nicht schlau aus seinem Ausdruck, aber er schien mir seltsam abwesend, als würde er mit sich ringen.
» Ich weiß, dass Sie mir mehr sagen können – Manon ist ja nicht bereit dazu. Es ist nur allzu offensichtlich, dass sie etwas vor mir verbirgt.«
Aszulay hatte noch nicht von seinem Tee getrunken, hielt aber weiterhin das Glas umfasst, das klein in seinen Händen wirkte. » Manons Geheimnisse gehören ihr allein«, sagte er.
» Ich kann Ihnen kaum etwas sagen, außer vielleicht, wie sich Etienne verhielt, als er hier war. Soweit ich es mitbekommen habe.«
Ich nickte und beugte mich nach vorn. » Ja, bitte, dann erzählen Sie mir davon.«
Aszulay sah über meinen Kopf hinweg, als vermiede er meinen Blick, während er sprach. » Er erwähnte, dass er nicht mehr schlafen könne, dass er schon einige Nächte lang kein Auge zugetan habe. Er litt unter Angstzuständen. Ich habe gesehen, wie er Tabletten nahm.«
» Ich weiß, er nimmt immer Medikamente«, sagte ich, um Aszulay zu ermuntern weiterzusprechen.
» Am letzten Abend, an dem ich ihn sah, hat er eine ganze Flasche Absinth getrunken. Auch hat er kif geraucht, mehr als einem guttut. Und dazu diese Tabletten. Und doch fand er keinen Frieden. Er ging im Zimmer herum, setzte sich wieder, sprang auf und wanderte wieder ruhelos umher. Seine Hände zitterten.«
» Aber ich glaube, ich weiß, warum. Der Gedanke an seine Krankheit … nicht zu wissen, wie lange es dauern würde, bis er …« Ich unterbrach mich. Vermutlich plagte ihn auch das schlechte Gewissen, mich verlassen zu haben, aber das sprach ich Aszulay gegenüber nicht aus. » Und dann ist er einfach verschwunden? Er muss doch gesagt haben, wohin er ging. Oder wann er zurückkommen wollte.«
Eine Weile saßen wir schweigend da. » Er hat etwas von Casablanca und Rabat gesagt.«
Ich rief mir diese beiden Städte mit ihrer wuselnden Betriebsamkeit in Erinnerung und dachte daran, wie ich mit Mustapha und Aziz durch Sale gefahren war. Dann rief ich mir ins Gedächtnis, wie schwierig es gewesen war, Manon hier zu finden, wobei Marrakesch kleiner war, eine Stadt, in der es ein Französisches Viertel gab, wo ich mich auf Französisch unterhalten und eine sichere, bequeme Unterkunft hatte finden können. Dann stellte ich mir vor, wie ich abermals in einer fremden Stadt umherirrte, auf der Suche nach einem Mann, den keiner kannte, von dem ich nicht einmal wusste, ob er überhaupt dort war.
Als mir die Unmöglichkeit eines solchen Vorhabens bewusst wurde, legte ich die Hand vor die Augen, und Aszulay sagte, als hätte er meine Gedanken erraten: » Eine Frau sollte sich in diesen beiden Städten nicht allein aufhalten, Mademoiselle O’Shea. Gleich ob Ausländerin oder Einheimische, eine Frau bewegt sich nicht allein in einer Stadt.« Ich ließ die Hand wieder sinken. » Er wird nach Marrakesch zurückkommen.«
» Ja?«, sagte ich, und ich bemerkte den erwartungsvollen Klang in meiner Stimme. » Also soll ich besser hier auf ihn warten? Aber wie lange?« Ich setzte mich aufrecht hin. » Wann wird er zurückkommen, Aszulay?«
» Vielleicht nächsten Monat. Wegen Badou. Um Badou wiederzusehen.«
» Nächsten Monat«, wiederholte ich.
» Er hat mich gebeten, mich um Badou zu kümmern, während er weg ist. Aber das tue ich ohnehin schon immer.«
» Weil Manon nicht in der Lage ist, ihr eigenes Kind richtig zu versorgen«, stellte ich fest und rechnete damit, dass er sie in Schutz nehmen würde. Er war schließlich ihr Liebhaber, da musste er sie doch verteidigen, dachte ich.
Der Ruf der Muezzins zum Nachmittagsgebet ertönte, doch Aszulay machte keine Anstalten, sich hinzuknien, um mit der Stirn den Boden zu berühren. Stattdessen stand er auf und sagte: » Ich muss jetzt zu meiner Arbeit zurück. Ich war schon zu lange weg.«
» Natürlich. Es tut mir leid. Danke, Aszulay, für … dafür, dass Sie mit mir über Etienne gesprochen haben. Nun, da ich weiß, dass er nach
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