Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
dass ich ihn in eine unangenehme Situation gebracht hatte, indem ich ihn an seinem Arbeitsplatz aufsuchte.
» Ich habe Mittagspause, aber allzu lange kann ich nicht wegbleiben. Kommen Sie, lassen Sie uns bei mir zu Hause reden.«
Ich nickte benommen und folgte ihm durch den Eingang auf die Straße hinaus, ohne mich zu fragen, ob es ratsam war, ihm nach Hause zu folgen.
» Sie sollten bei dieser Hitze nicht weit gehen«, sagte er und sah mir ins Gesicht.
Wieder nickte ich nur. Er winkte eine calèche heran, und wir stiegen ein. Während der holprigen Fahrt hielt ich den Blick auf meine Schuhe gerichtet und sah erst wieder auf, als der Pferdewagen anhielt. Aszulay stieg aus und reichte mir die Hand.
Wir betraten durch ein Tor die Medina, ohne jedoch den Djemma el Fna zu überqueren; offensichtlich gab es nicht nur das eine Tor in der Stadtmauer, um in die Altstadt zu gelangen. Ich hatte keine Ahnung, wohin wir gingen, während wir uns einen Weg durch die engen Gassen bahnten. Schließlich zog Aszulay einen großen Schlüssel aus der Tasche in seinem Gewand und öffnete ein blaues Tor. Seine Hände waren von einem rötlichen Staub bedeckt. Als ich ihm ins Gesicht blickte, sah ich auch an seinem Hals und den Wangen Streifen rötlicher Erde. Auch seine weiße Arbeitskleidung, die Monsieur Majorelle seinen Gärtnern offensichtlich verordnet hatte – die weite Baumwollhose, das Gewand und der Turban –, war von rötlichem Staub überzogen.
» Es tut mir leid, wenn ich Sie von Ihrer Arbeit abhalte«, sagte ich. » Aber ich muss unbedingt mit jemandem über Etienne sprechen, Aszulay.« Einen Moment lang war ich versucht, ihm von dem Kind zu erzählen, das ich verloren hatte, ließ es dann aber sein. Womöglich wusste er ja auch davon.
Ein Mann kam an dem Tor vorbei und starrte mich unverhohlen an. Aszulay machte eine einladende Kopfbewegung. »Kommen Sie herein.«
Wir durchquerten einen Innenhof. Vor einer offenen Tür blieb er stehen und zog seine babouches aus. Ich zögerte, wusste ich ja inzwischen, dass es sich nicht gehörte, mit Straßenschuhen das Innere eines Hauses zu betreten. Und doch … Ich sah auf meine Schuhe hinab und dachte, wie umständlich es wäre, mich ihrer zu entledigen, um dann ohne den erhöhten Absatz durch das Zimmer zu humpeln.
» Bitte«, sagte er, und an der freundlichen Art, mit der er mich zum Eintreten aufforderte, erkannte ich, dass er nicht von mir erwartete, die Schuhe auszuziehen. Drinnen bedeutete er mir, mich auf ein Sofa zu setzen, und ich nahm auf dem Rand Platz. Als er den Raum verließ, legte ich das Gesicht in beide Hände.
Kurz darauf hörte ich ein Rascheln, und als ich den Blick hob, erkannte ich eine ältere Frau, die mit einem Tablett und einer Teekanne sowie zwei Gläsern darauf hereinkam. Sie stellte es auf den niedrigen Tisch vor mir, schenkte Tee ein und reichte mir ein Glas.
Ich sagte: » Shukran« – danke –, nahm es und stellte es wieder auf den Tisch. Sie füllte auch das zweite Glas und ging wieder hinaus.
Nach einer Weile kam Aszulay wieder herein; er trug noch immer seine Arbeitskleidung, hatte aber Gesicht und Hände gewaschen und den Turban abgenommen. Ich bemerkte einen Wassertropfen an seinem linken Ohrläppchen, der wie eine Perle anmutete. Sein Haar war feucht und wellte sich über den Kragen.
» Nun, was wollen Sie über Etienne wissen?«, fragte er und nahm sein Teeglas.
» Als Sie zu mir ins Hotel kamen und ich noch dachte, dass Etienne tot sei, sagten Sie, wir würden ein andermal über ihn reden. Bitte, erzählen Sie mir alles, was Sie über ihn wissen.«
Aszulay sah mir ins Gesicht, während sich seine langen Finger um das Glas wölbten.
» Ich war seine … wir wollten heiraten.« Während er mich mit seinen blauen Augen ansah, fiel es mir plötzlich schwer, diese Worte auszusprechen. » Er hat Amerika völlig überraschend verlassen, ohne mir etwas zu sagen.« Ich sagte nicht: Er hat mich verlassen. Und doch spürte ich, dass Aszulay das Unausgesprochene hören konnte, und zwang mich dazu, seinem Blick nicht auszuweichen. » Wegen seiner überstürzten Abreise hatten wir keine Gelegenheit, über wichtige Dinge zu reden. Ich bin hergekommen, um ihn zu finden und zu verstehen …« Meine Stimme geriet ins Stocken. Warum schämte ich mich plötzlich vor diesem Mann? Es lag nicht an ihm; er saß einfach nur da, sah mich an und ließ mir Zeit, ihm mein Anliegen darzulegen. Ich nahm einen tiefen Atemzug, um mich zu beruhigen. » Ich habe
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