Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
Wasser in die Hocke und blickte gebannt auf die glatte, von Wasserlilien durchzogene Fläche, auf der sich der Himmel spiegelte. Aszulay sagte etwas auf Arabisch zu ihm, woraufhin Badou die Hand ins Wasser tauchte, was aussah, als zerteilte er Glas, und sie hin und her schwenkte. Kurz darauf lugte nur wenige Zentimeter von Badous Hand entfernt der Kopf einer Schildkröte aus dem Wasser. Badou sprang erschrocken zurück und keuchte auf, dann blickte er sich zu uns um und lachte.
»Une tortue«, sagte er mit einem breiten Lächeln. »Sie hat mich erschreckt.« Wieder trat er ans Wasser, ging in die Knie und plantschte mit der Hand im Wasser. »Sie soll das noch mal machen.«
Die Schildkröte schwamm näher, wahrscheinlich weil sie hoffte, einen Bissen zu ergattern, wieder tauchte der runde Kopf aus dem Wasser, öffnete das zahnlose Maul und verschwand wieder.
Badou lachte, freute sich ausgelassen über das Spiel. Mit einem Mal schien er ein ganz anderer Junge zu sein, der ernste Ausdruck, den er sonst immer zeigte, war wie weggewischt.
» Ich habe Sie zum ersten Mal lachen hören«, sagte Aszulay.
Unwillkürlich legte ich die Hand vor den Mund; es war mir gar nicht bewusst gewesen, dass ich mich von Badou hatte anstecken lassen.
Aszulay sah mich an. » Es scheint, Sie bereuen es, gelacht zu haben. Warum denn?«
Ich blinzelte. » Ich weiß es nicht.« Ich dachte an das Baby, an Etienne, an all das, was in den letzten Monaten passiert war. Mir wurde bewusst, dass ich seit Etiennes so plötzlichem Verschwinden nicht mehr gelacht hatte. War ich der Meinung, kein Recht mehr auf das Lachen zu haben? Glücklich zu sein?
Mein Blick schweifte wieder zu Badou, der mit den Fingern im Wasser die Schildkröte lockte. Einen flüchtigen Moment lang hatte er hier in der Sonne dafür gesorgt, dass ich die Last meines früheren Lebens vergaß. Dann streifte mein Blick Aszulay. Er sah mich nicht an, und mich beschlich das leise Gefühl, als bemitleide er mich.
Ich wollte nicht, dass dieser Mann mich bedauerte. Ich stand von der Bank auf, ging zu Badou und kniete mich neben ihn. » Mal sehen, ob wir die Schildkröte noch mal dazu bringen, sich zu zeigen«, sagte ich und plätscherte mit den Fingern im Wasser.
Während wir den Garten verließen, sprach Aszulay auf Arabisch mit Badou. Der Junge sah ihn freudestrahlend an. » O ja, Onkel Aszulay, ja, wann fahren wir?«
» In einer Woche. In sieben Tagen«, erwiderte er und hob Badou in den Eselskarren, der draußen auf uns gewartet hatte. Badou zählte die Tage an seinen Fingern ab und bewegte leise die Lippen dazu. » Ich besuche alle paar Monate meine Familie.« Aszulay drehte sich zu mir um. » Badou kommt gern mit mir, weil er dort mit anderen Kindern spielen kann.«
Seine Familie.
» Oh, Sie haben Kinder?«, fragte ich verwundert, oder besser gesagt bestürzt. Aber warum? Ich war davon ausgegangen, dass er nicht verheiratet sei, keine Kinder hatte. Nicht nur weil ich in seiner Wohnung, abgesehen von der alten Bediensteten, keine Hinweise auf eine andere Frau bemerkt hatte, sondern auch wegen Manon. Irgendwie hatte ich ihm nicht zugetraut, dass er neben einer Frau auch eine Geliebte hatte.
» Nein«, sagte er und wandte sich demonstrativ wieder Badou zu, um sich mit ihm über die Wasserschildkröten zu unterhalten.
Wir stiegen vom Eselskarren, und Aszulay und Badou begleiteten mich in die Sharia Soura zurück. Badou fragte: » Kommst du mit uns ins bled, Sidonie?«
» Nein, Badou«, sagte ich und blieb vor dem Tor stehen. » Aber ich wünsche dir eine wunderbare Zeit dort.« Ich drehte mich um und klopfte.
Während wir warteten, sagte Aszulay: » Würden Sie gerne mitkommen?«
Ich nahm an, dass er es aus reiner Höflichkeit gesagt hatte. Doch wie so oft in letzter Zeit sollte ich mich mit meiner Vermutung, die so typisch amerikanisch war, irren. So dachte Aszulay nicht. » Wir bleiben nur zwei Tage weg«, fügte er hinzu.
Najeeb öffnete das Tor.
Zwei Tage bedeutete, dass wir dort übernachten würden. Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte Aszulay: » Keine Sorge, es gibt einen Frauenbereich.«
Ich rief mir ins Gedächtnis, wie ich mit Mustapha und Aziz unter freiem Himmel übernachtet hatte: die Sterne, die Stille, das wilde Kamel. Wieder sinnierte ich darüber nach, was Aszulay wohl mit » Familie« gemeint hatte. Er hatte keine Kinder, aber vielleicht eine Frau? Oder gar zwei oder drei?
» Ich fahre mit meiner camionnette«, sagte er.
» Einem kleinen
Weitere Kostenlose Bücher