Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
in mein Leben getreten war, hatte ich angenommen, dass ich für immer allein bleiben würde, und mich damit abgefunden. Mein jugendliches Gelübde, das ich vor Gott und der Heiligen Jungfrau Maria abgelegt hatte, war natürlich nichts weiter als ein kindlich-naives Versprechen, das ich in einem Akt der Verzweiflung gemacht hatte. Doch abgesehen davon gab es in dem Leben, das ich mir zurechtgezimmert hatte, kaum Gelegenheiten, einem Mann zu begegnen, den ich eines zweiten Blickes gewürdigt hätte; außerdem hatte ich nie zuvor das Gefühl gehabt, ein Mann könne sich von mir angezogen fühlen.
Bis ich Etienne traf.
Er hatte meinem Leben eine Dimension hinzugefügt, von der ich bis dahin nicht einmal wusste, dass sie mir fehlte. Nun sah ich dieses frühere Leben als graues Zwielicht, hohl und farblos.
Und als mir klar wurde, dass ich ein Kind erwartete … kam für mich keine andere Möglichkeit in Frage, als dass wir heiraten würden. Er war ein zuverlässiger, integrer Mann. Nicht eine Sekunde lang hatte ich daran gezweifelt, dass er augenblicklich um meine Hand anhalten würde. Während dieser letzten wenigen Wochen hatte ich es mir immer wieder im Geiste ausgemalt und mich dabei in eine gedankliche Ekstase hineingeträumt: Er würde seine kleine Wohnung aufgeben und bei mir einziehen. Wir würden ein neues, größeres Bett kaufen und mein altes Zimmer gegen das größere Schlafzimmer eintauschen. Mein bisheriges Schlafzimmer würde das zukünftige Kinderzimmer werden, und meine Malutensilien könnte ich in einer Ecke der Küche aufstellen. Doch jetzt … Ich schluckte, und obwohl es kurz vor Mitternacht war, wusste ich, dass mich gleich die Übelkeit übermannen würde, wie es sonst immer nur morgens der Fall war. Ich eilte aus dem Zimmer und übergab mich mehrmals im Bad.
Als es vorbei war, wusch ich mir zitternd das Gesicht und spülte den Mund aus, ehe ich ins Schlafzimmer zurückkehrte. Etienne saß angezogen auf dem Bettrand und schnürte die Schuhe. Er sah mit einem Ausdruck zu mir auf, der mir vollkommen rätselhaft war, und eine unergründliche Angst überkam mich. Wieder rebellierte mein Magen, obwohl er jetzt leer war.
Ich legte die Hand auf den Mund.
Er stand auf. » Es tut mir leid, Sidonie«, sagte er auf Französisch. » Es ist … es kommt für mich so überraschend. Ich muss es erst verdauen. Bitte nimm es mir nicht übel, ich wollte dich nicht verletzen.«
Nicht übel nehmen? Wie konnte ich nicht verletzt sein von seiner Reaktion? » Kannst du heute Nacht nicht bei mir bleiben? Bitte«, sagte ich. Ich sehnte mich so danach, dass er mich in die Arme nahm. Ich zitterte, nicht nur weil ich in meinem dünnen Nachthemd in der nächtlichen Kälte fror, sondern auch vor Angst. Aber das tat er nicht. Ich stand noch immer in der Tür und er neben dem Bett. Nur ein paar Meter trennten uns, doch sie kamen mir wie eine Meile vor.
» Ich komme dann am Donnerstagmorgen um neun und fahre dich in die Klinik. Um eine fachmännische Meinung einzuholen.«
» Aber … du bist doch ein Fachmann.«
» Das ist etwas anderes. Ein Arzt behandelt nicht seine … sollte bei jemandem, dem er nahesteht, keine Diagnose erstellen.« Er kam auf mich zu, doch ich wich nicht zur Seite, um ihn durch die Tür treten zu lassen.
» Etienne«, sagte ich und legte ihm die Hände auf die Arme. Ich bemühte mich, meine Finger nicht in den Stoff seines Jacketts zu graben. Aber ich musste mich an ihm festhalten, ihn bei mir haben.
Da zog er mich an sich und presste meinen Kopf an seine Brust. Ich hörte seinen Herzschlag, der viel zu schnell war, so als wäre er gerannt. Und im nächsten Moment schon schob er sich an mir vorbei und war, nachdem er mir kurz übers Haar gestreichelt hatte, verschwunden.
Die restliche Nacht und der darauffolgende Mittwoch kamen mir endlos vor und waren eine einzige Qual. Und doch weigerte ich mich, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ich mich in Etiennes Gefühlen mir gegenüber geirrt haben könnte. Das war unmöglich. Ich konnte mich nicht dermaßen getäuscht haben.
Die Fahrt in die Klinik – wo meine Schwangerschaft bestätigt wurde – hatten wir beinahe schweigend hinter uns gebracht, doch als wir auf dem Rückweg die Vororte von Albany erreichten, hielt ich es nicht länger aus.
» Und nun, Etienne?« Ich wartete verzweifelt, dass er etwas Tröstliches sagte. » Ich weiß, dass du nicht darauf gefasst warst. Ebenso wenig wie ich. Aber vielleicht sollten wir es als unser
Weitere Kostenlose Bücher