Der dunkle Highlander
Highlands. Er verströmte sich in sie, wurde Teil von ihr. Sah, wie sie auf dem Stuhl und vor einem Schild ihr Liebesgeständnis einstudierte, sich dann umdrehte und ihm entgegenschrie: Ich liebe dich. Wie sie es wiederholte, nachdem er ihr sein düsteres Geheimnis offenbart hatte. Wie sie unerschütterlich an seiner Seite blieb.
In diesem eigenartig stillen Moment wurde ihm klar, dass er Chloe nie begegnet wäre, wenn er seinen Eid nicht gebrochen hätte und nicht durch das Tor der Steine geschritten wäre. Welch eine Ironie des Schicksals! Er musste in den Abgrund stürzen, um die Frau kennen zu lernen, die in vieler Hinsicht seine Rettung war. Wenn er die Chance hätte, die Zeit zurückzudrehen, und die Wahl, seinen Eid nicht zu brechen und Chloe Zanders nie zu begegnen, würde er ohne Zaudern erneut in den Steinkreis treten und alles noch einmal genauso machen. Auch wenn er wusste, dass dies unweigerlich in die Katakomben führte. Nur um die Freude zu haben. Um Chloe für diese spärliche Zeit, die ihm blieb, lieben zu können.
Seine Erinnerungen verließen den friedlichen Ort. Er durchlebte nochmals die bitterkalte Nacht, in der er auf der Balustrade getanzt hatte. Ihm war immer bewusst gewesen, dass er mit dem Tod allem ein Ende setzen konnte. Eine einfache Lösung. Wenn die Dreizehn keinen Körper mehr hatten, würde es keine Wiederauferstehung geben. Schachmatt. Aus. Ende.
Er war es leid zu kämpfen. Aber an dem Abend auf der Terrasse beschloss er, den Kampf fortzusetzen und sich den Selbstmord als letzte Möglichkeit vorzubehalten. Dann war Chloe in sein Leben getreten und hatte ihm tausend Gründe gegeben, am Leben zu bleiben.
Beim Gedanken an sein Dilemma lächelte er bitter. Wenn er die Magie zu Hilfe nahm, um Chloe in Sicherheit zu bringen, würde er gleichzeitig die Draghar befreien. Er würde »das Zeitalter der Finsternis« einleiten, einer Finsternis, »die schlimmer ist als alles, was die Menschheit je erlebt hat«. So stand es in der Prophezeiung. Es war nicht abzusehen, wie viele Millionen Menschen den Tod finden würden. Aber wenn das, womit er Simon verhöhnt hatte, der Wahrheit entsprach und die Dreizehn tatsächlich in ihre Zeit zurückkehrten? Den verheerenden Krieg noch einmal führten? Und diesmal als Sieger daraus hervorgingen?
Das würde die letzten viertausend Jahre der Menschheitsgeschichte vollkommen verändern. Womöglich gab es auf dieser Welt überhaupt keine Menschen mehr, wenn die Draghar die Macht an sich rissen.
Aber seine Möglichkeiten waren erschöpft. Er hatte keine Wahl mehr. O Liebste, dachte er voller Trauer, so sollte es nicht enden.
Als er die Augen aufschlug, sah er, dass sie Chloe einen Knebel in den Mund gestopft hatten. In ihren aquamarinblauen Augen glitzerten Tränen.
»Bringt ihr einen Schnitt bei!«, befahl Simon. »Er soll ihr Blut sehen.«
Dageus biss sich auf die Zunge. Ein bitterer, metallischer Geschmack füllte seinen Mund. Er wusste, dass ihm keine Zeit blieb, sein Vorhaben perfekt auszuführen. Er musste nur sichergehen, dass seine Wunde tödlich war. Dass er starb, ehe die Verwandlung vollendet war. Aber vorher musste er dafür sorgen, dass die Sektenmitglieder ihr Leben ließen und Chloe frei war. Er wappnete sich innerlich, um mit eiserner Entschlossenheit vorzugehen. Ein einziger Moment des Zögerns konnte alles verderben. Er musste sich hundertprozentig auf seinen Tod einlassen.
Und als er Chloe erneut ansah, fiel ihm das verdammt schwer. Einer der Bewacher ritzte ihr mit einer scharfen Klinge die Haut am Hals auf. Hellrotes Blut quoll aus der Wunde. Chloe wand sich in ihren Fesseln, zappelte und kämpfte.
Jetzt!, dachte Dageus und flüsterte seiner Seelengefährtin leise ein »Lebewohl« zu. Die Trauer überkam ihn so plötzlich und brannte so heftig, dass er den Kopf zurückwarf und ein Heulen aus tiefster Seele ausstieß.
Und zum ersten Mal, seit die Dreizehn von ihm Besitz ergriffen hatten, gab er seine Wachsamkeit auf. Zum ersten Mal leistete er der vernichtenden Finsternis keinen Widerstand. Er öffnete sich dem Bösen. Lud es ein. Umarmte es.
Die Reaktion kam prompt. Macht, Tücke und Irrsinn durchfluteten ihn. Mit einem Mal bestürmten ihn dreizehn Leben, erfüllten ihn mit der phänomenalen Kraft von zwölf Männern und einer Frau, deren Lust auf Leben so wahnwitzig intensiv war, dass sie unsterblich sein wollten.
Jetzt waren es Individuen. Mit einer grenzenlosen Wut und einem abgrundtiefen Hass auf die Bezwinger, die sie
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