Der dunkle Highlander
Existenz an und konnten dies mit einleuchtenden Argumenten untermauern.
Trotzdem ... ihr Großvater hatte daran geglaubt.
Er war Professor für Mythologie gewesen und hatte sie gelehrt, dass jeder Mythos etwas Wahres enthielt. Die Geschichten waren in den Jahrhunderten der mündlichen Überlieferung durch die Barden verändert worden. Jeder Barde passte seinen Vortrag den Vorlieben und Bedürfnissen seiner Zuhörer an oder richtete sich bei der schriftlichen Wiedergabe nach den Anweisungen seines Geldgebers. Die Originaltexte unzähliger Handschriften wurden durch schlampige Übersetzungen und die Anpassung an die jeweiligen politischen und religiösen Strömungen veruntreut. Jeder, der sich dem Geschichtsstudium widmete, musste früher oder später einsehen, dass die Historiker nur ein paar Sandkörnchen der großen Wüste zusammenklauben konnten und dass es unmöglich war, die Sahara zu begreifen, wenn man nur wenige Körner kannte.
»Glaubst du an dieses Zeug?« Sie deutete auf die Bücher und Papiere. Sie war neugierig, welchen Standpunkt ein so kluger und gebildeter Mann wie er einnahm.
»An vieles davon.«
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Du glaubst, dass es die Tuatha De Danaan wirklich gegeben hat?«
Sein Lächeln wirkte bitter. »Allerdings. Früher habe ich nicht alles geglaubt, was ich von ihnen wusste, aber heute schon.«
Chloe runzelte die Stirn. Er klang resigniert wie ein Mann, der unstrittige Beweise hatte. »Was hat dich davon überzeugt?«
Er zuckte wortlos mit den Achseln.
»Was ist das für ein Fluch?«, bohrte sie weiter. Das war ein faszinierendes Thema - solche Geschichten hatten sie dazu gebracht, sich mit den alten Kulturen zu beschäftigen. Es war, als würde sie sich mit ihrem Großvater unterhalten, über Theorien diskutieren und sich für neue Ansichten öffnen.
Dageus wandte sich ab und sah ins Feuer.
»Ach, komm schon! Du reist doch ohnehin bald ab. Was kann es schon schaden, wenn du mir davon erzählst? Mit wem sollte ich darüber reden?«
»Und was ist, wenn ich diejenige bin, auf dem dieser Fluch lastet?«
Sie sah sich in seinem luxuriösen Heim um. »Dann kann ich nur sagen, dass eine Menge Leute gern so verflucht wären.«
»Du würdest die Wahrheit nie glauben.« Wieder dieses spöttische Lächeln. Sie merkte, dass sie viel dafür geben würde, ihn einmal wirklich herzlich lachen zu sehen.
»Stell mich auf die Probe.«
Diesmal ließ er sich lange mit der Antwort Zeit. Als er schließlich das Wort ergriff, funkelten seine Augen zynisch. »Was, wenn ich dir sage, dass ich ein Druide aus der Vergangenheit bin?«
Chloe war aufgebracht. »Wenn du nicht mit mir reden willst, brauchst du es nur zu sagen. Aber versuch nicht, mich mit diesem Unsinn zum Schweigen zu bringen.«
Er nickte knapp, als wäre er hochzufrieden. »Und wenn ich dir sage, dass ich die Last des Fluches weniger spüre, wenn du mich küsst, mein Mädchen? Dass mich deine Küsse vielleicht retten können? Würdest du mir dann helfen?«
Chloe hielt den Atem an. Eine solche Aussage war ebenso albern und dumm wie der Scherz, dass er ein Druide war ... aber es war unglaublich romantisch. Als ob ihre Küsse einen Mann retten könnten!
»Ich habe das selbst kaum für möglich gehalten.« Er wandte den Blick von ihr und richtete ihn wieder auf die Texte. Augenblicklich fühlte Chloe, wie ein Kälteschauer sie durchfuhr, und runzelte die Stirn. Sie kam sich vor wie ein Feigling, und gleichzeitig verspürte sie einen eigenartigen Tro tz. Sie starrte auf den gräss lichen Umschlag vom Reisebüro. »Wann genau wirst du abreisen?«, erkundigte sie sich gereizt.
»Morgen Abend«, sagte er, ohne sie anzusehen.
Chloe schnappte nach Luft. So bald schon? Morgen sollte ihr großes Abenteuer zu Ende sein? Gestern noch hatte sie versucht, ihm zu entfliehen, aber heute war die Aussicht auf die bevorstehende Freilassung absolut freudlos.
Die Freiheit erschien keineswegs erstrebenswert, wenn Freiheit bedeutete, dass sie Dageus nie wiedersehen würde. Sie wusste nur zu gut, was dann käme: Er würde aus ihrem Leben verschwinden, und sie würde ihren Job im The Cloisters wieder aufnehmen; Tom würde sie nicht feuern, nur weil sie ein paar Tage gefehlt hatte. Sie konnte sich ja eine plausible Ausrede einfallen lassen. Jedes Mal, wenn sie eine Kostbarkeit aus dem Mittelalter ansah, würde sie an Dageus denken. Wenn sie nachts aufwachte und diese schreckliche innere Unruhe fühlte, würde sie im Dunkeln sitzen, sein
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