Der dunkle Highlander
verabschieden. Genau wie bei ihren Eltern. Konnten die Menschen denn nicht langsam an irgendeiner Krankheit sterben, schmerzlos und selbstverständlich, ohne ein qualvolles Siechtum? Ihr die Chance geben, endgültig Abschied zu nehmen? Mussten sie einfach so von dieser Erde verschwinden? In einem Moment lächelten sie und waren noch voller Aktivität, im nächsten reglos, stumm, für immer verloren. So viele Dinge waren unausgesprochen geblieben. Im Sarg schien ihr Großvater so zerbrechlich und klein; ihr robuster, temperamentvoller Großvater, der ihr immer unbesiegbar erschienen war.
Hatte sie damals damit angefangen, sich immer auf die sichere Seite zu stellen? Weil sie sich wie eine Schildkröte ohne Panzer fühlte, angreifbar, bloßgestellt und nicht bereit, zu lieben und erneut zu verlieren? Sie hatte sich nicht bewusst dafür entschieden; aber sie war zurück ins College gegangen, hatte sich in ihr Studium gestürzt und den Abschluss schnell geschafft. Ohne nachzudenken, hatte sie dafür gesorgt, dass sie zu viel zu tun hatte, um sich auf irgendetwas anderes einzulassen.
Sie blinzelte. Die Trauer um den Großvater war nach wie vor schmerzhaft, als hätte sie sich nie wirklich damit befasst, sondern sie lediglich in einen dunklen Winkel verdrängt. Ihr ging durch den Kopf, dass man ein Gefühl wie Trauer nicht einfach ausschalten konnte, ohne den Kontakt zu den anderen Gefühlen zu verlieren. Hatte sie unzählige Gelegenheiten zu lieben verpasst, weil sie sich geweigert hatte, den Schmerz zuzulassen und zu verarbeiten?
Chloe warf Gwen einen forschenden Blick zu. »Das klingt, als wolltest du mich ermutigen.«
»Das stimmt. Er wird dir eine Frage stellen. Die bloße Tatsache, dass er sich an dich wendet, spricht Bände über seine Gefühle für dich.«
»Was wird er mich fragen?«
»Das wirst du sehr bald erfahren.« Gwen seufzte schwer, als würde sie einen inneren Kampf ausfechten. Dann sagte sie: »Drustan und Dageus kommen aus einer Welt, die wir Mädchen nur schwer verstehen können. Aus einer Welt, die fest in der Wirklichkeit verankert ist. Auch wenn einem das auf den ersten Blick unmöglich scheint. Nur weil die Wissenschaft etwas nicht erklären kann, ist es nicht weniger real. Ich bin Wissenschaftlerin und weiß, wovon ich rede. Ich habe Dinge gesehen, die allem widersprachen, was ich im Physikstudium gelernt habe. Es sind gute Männer. Hervorragende sogar. Ö ffne deinen Geist und dein Herz, denn eines kann ich dir mit Sicherheit sagen: Wem die Keltar ihre Liebe schenken, den lieben sie mit Haut und Haar und für immer.«
»Du bringst mich ganz aus der Fassung.« Chloe fühlte sich unbehaglich.
»Und das ist erst der Anfang. Du wirst noch sehr viel mehr aus der Fassung geraten. - Eine Frage nur zwischen dir und mir, und bitte sag mir die Wahrheit: Willst du ihn?«
Chloe sah Gwen lange schweigend an. »Bleibt das wirklich unter uns?«
Gwen nickte.
»Ich will ihn seit dem Moment, in dem ich ihn zum ersten Mal gesehen habe«, gestand sie schlicht. »Und ich verstehe das nicht. Ich benehme mich regelrecht besitzergreifend und habe überhaupt kein Recht dazu. Es ist verrückt. So habe ich noch nie in meinem Leben empfunden. Und die Vernunft hilft mir nicht aus dem Chaos heraus«, sagte sie frustriert.
Gwen lächelte. »Ach, Chloe. Die Vernunft versagt unweigerlich, wenn wir versuchen, uns von etwas zu überzeugen, was unsere Herzen längst als falsch erkannt haben. Gib die Versuche auf. Höre mit deinem Herzen.«
»Das gefällt mir nicht«, knurrte Drustan.
»Und du, hast du Gwen seinerzeit die Wahl gelassen?«, konterte Dageus und ritzte die vorletzte Formel in die Steinplatte in der Mitte. Er brauchte nur noch eine, um die Brücke durch die Zeit zu öffnen. Er und Drustan waren übereingekommen, dass er sechs Monate nach seinem ersten Besuch ins sechzehnte Jahrhundert eintreten sollte, damit er seinem zweiten Selbst nicht begegnete. Außerdem hofften beide, dass Silvan in dem halben Jahr seit dem Verschwinden seines Sohnes etwas Nützliches entdeckt hatte. »Chloe ist ein starkes Mädchen. Sie hat mich mit meinem eigenen Schwert bedroht und mir die Spitze der Klinge an die Brust gehalten. Sie hat sich verbissen gegen den Angreifer zur Wehr gesetzt und ist freiwillig mit mir nach Schottland gekommen. Auch wenn sie manchmal zögert, sie fürchtet sich vor nichts. Und sie ist klug - sie spricht mehrere Sprachen, kennt die alten Legenden und liebt Kunstgegenstände. Ich werde sie zu den
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