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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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leicht leiten; an eigenem Antrieb mangelte es ihm. Mag sein, dass er mit dem Alter stärker geworden wäre. Aber das werden wir nun nie erfahren.«
    »Er ließ sich leicht leiten – also auch verleiten, nicht wahr?«
    »Das ist nicht auszuschließen, Begine. Und ich bin mir inzwischen auch sicher, dass genau dieses geschehen ist. Ihr wisst, ich war zwar sein Beichtvater, aber nicht alles, was einen Menschen bewegt, erfährt man von ihm. Auch in der Beichte wird vieles verschwiegen.«
    »Glaubt Ihr, dass er etwas verschwiegen hat?«
    »Ja, ich bin mir jetzt sogar ganz sicher. Ich werde noch einmal über diese Gespräche nachdenken müssen. Wahrscheinlich hätte ich besser daran getan, das schon früher zu tun. Heute, Begine, mache ich mir große Vorwürfe, dass ich nicht genauer nachgefragt habe. Mag sein, dass dadurch das Unglück verhindert worden wäre. Nur kann ich es jetzt nicht mehr ändern.«
    »Nein, das kann man nicht mehr. Nun, aber Ihr stimmt mir zu, dass Jean möglicherweise in eine Angelegenheit verwickelt worden ist, die ihm Feinde geschaffen hat.«
    »Eure Schlussfolgerung, so wenig ich sie glauben möchte, hat etwas für sich. Weiterhin vermutet Ihr einen Zusammenhang mit dem verdorbenen Wein, und da stimme ich Euch ebenfalls zu. Das Fass, das wir von de Lipa erhalten haben, wurde vor zwei Wochen geliefert. Zumindest so lange schon ist der Austausch in dem Lager dort her. Das Fass stammt übrigens aus Burgund, der Wein jedoch ist ein hiesiger, recht minderer Rotwein, der einem Freund zufolge mit Vitriol, Senf, Salz, Ingwer und Lehm versetzt worden ist.«
    »Pfui, was für eine Mischung.«
    »Abscheulich, und nur dazu geeignet, sehr grobe Kehlen zu täuschen, zumal Vitriol im Übermaß darin enthalten ist. Dieser Claret hingegen hat ein wunderbar ausgewogenes Aroma. Stellt Ihr ihn selbst her?«
    »Unsere Apothekerin tut es, und versucht nicht, ihr das Geheimnis der Herstellung zu entlocken. Sie verteidigt das Rezept mit Klauen und Zähnen. Aber Ihr sagt, das Fass sei aus Burgund; könnte nicht der Austausch schon dort vorgenommen worden sein?«
    »Möglich wäre es natürlich, andererseits ist es nicht besonders schwer, an diese Fässer zu kommen. Sie werden in nicht unbeträchtlicher Zahl geleert, obwohl der Wein sehr kostspielig ist. Nicht jede Schenke wird ihn anbieten.«
    »Aber die genügsamen Mönche können ihn sich natürlich leisten. Ich nehme an, tröpfchenweise…«
    »Habt Ihr die heilige Maria auch heute schon darum gebeten, Eure Zunge zu entschärfen?«
    »Ständig bitte ich sie, Pater, aber mit leider allzu geringem Erfolg.«
    »Dann gebe ich ihr noch etwas, um sich daran zu wetzen: Auch der Erzbischof ist ein Abnehmer feuriger Burgunderweine.«
    »Zweifellos nur, um seine hohen weltlichen Gäste zu bewirten.«
    »Zweifellos.«
    »Hoffen wir, dass er sich nicht auch mit dem gepantschten Wein blamiert.«
    »Das wird er nicht, denn seit er mit der Stadt Köln in Fehde liegt, liefert natürlich auch kein Weinhändler mehr an ihn.«
    »Da ist der arme Friedrich aber sehr zu bedauern.«
    »Oder zu beneiden – wie man es sieht.«
    »Tut das eine, ich tue das andere. Aber glaubt Ihr, dass Jean alleine sich leere Fässer besorgt hat, gepantschten Wein hergestellt und sie in de Lipas Lager untergebracht hat?«
    »Nein, er muss Komplizen gehabt haben. Und die gilt es zu finden. Ich werde mich auch darum kümmern, Begine. Und ich hoffe, Bruder Johannes wird sich dann auf die richtige Beute stürzen. Ich bete aber darum, dass die Zeit reichen möge.«
    »Ich hoffe es auch, Pater. Und jetzt muss ich zurückgehen; ich habe mich ohne mich abzumelden aus dem Konvent entfernt, und das sieht unsere Meisterin nicht sehr gerne.«
    Almut stand auf und räumte die Überreste ihres gemeinsamen Mahls wieder in den Korb.
    »Außerdem seid Ihr alleine gekommen. Ich werde Euch zurückbegleiten.«
    Pater Ivo stand ebenfalls auf.
    »Danke, Pater, aber es ist nicht weit.«
    »Dennoch begleite ich Euch, denn ich möchte noch etwas anderes mit Euch klären, Begine.«
    »Was denn, Pater Ivo?«
    »Euer ketzerisches Verhalten.«
    »Ich habe doch schon gesagt, ich bereue…«
    »Zischt mich nicht an, Begine. Ihr kennt Bruder Johannes nicht. Mir wäre lieber, Ihr würdet Euch mir anvertrauen und die Buße auf Euch nehmen, die ich Euch auflege!«
    »Pater, ist das nicht meine Entscheidung, bei wem ich beichte?«
    »Das ist sie…«
    Schweigend gingen sie nebeneinander her, und Almut drehte und wendete ihre Gedanken im Kopf.

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