Der Effekt - Roman
aufzunehmen. Er konnte noch eine ganze Menge kleinerer Staaten und Inseln um Hilfe bitten, aber Ude hatte Recht. Staaten wie Japan existierten nicht im luftleeren Raum, und viele Amerikaner würden sich in der fremden Kultur nicht zurechtfinden.
Ritchie tippte zweimal mit dem Kugelschreiber auf seinen Notizblock, als wollte er damit die Abmachung besiegeln, und lehnte sich zurück. Mit ihm am Tisch saßen eine ganze Reihe Personen, die meisten von ihnen waren Ausländer. Der einzige Amerikaner ohne Uniform war der Anwalt Jed Culver, der Gouverneurin Lingle aus Seattle vertrat. Sein blauer Nadelstreifenanzug war noch immer so akkurat wie am Tag, als sie sich kennengelernt hatten, und Ritchie wunderte sich, wie der Mann es schaffte, ihn reinigen zu lassen. Er hatte doch sicherlich nicht mehr als einen Anzug in den Urlaub mitgenommen, oder?
Culvers Anwesenheit war begrüßenswert, denn er konnte selbst aus den kompliziertesten verbalen Ergüssen noch das Wichtigste herausfiltern und erklären. Trotzdem erinnerte seine Gegenwart den General daran, dass sie noch immer keine Regelung bezüglich der Exekutivgewalt gefunden hatten. Jedem, der sich die Lage in Seattle ansah, wurde schnell klar, dass die Situation nicht gerade einfacher geworden war. General Blackstone ging mit eiserner Hand zu Werke, und Ritchie fragte sich schon, ob er es nicht übertrieb. Er hatte die Stadt praktisch von der Außenwelt abgeschnitten und ließ niemanden herein, außer Schiffe mit Hilfslieferungen und Flugzeuge, die Bürger aus anderen Ländern fortbringen durften. Das alles wirkte arg übertrieben, aber Ritchie hatte keine Zeit und keine Möglichkeit, Blackstone in den Arm zu fallen. Zu verhindern, dass die isolierte Stadt im Chaos versank, war sicher sehr schwierig. Und Blackstone, der von seinen Kameraden scherzhaft »Mad Jack« genannt wurde, war bestimmt nicht unfähig.
Ritchie wandte sich an den Anwalt und stellte ihn den Anwesenden vor.
»Mr. Culver repräsentiert die Gouverneurin von Seattle und damit die höchstrangige zivile Autorität, die wir zurzeit haben. Es gibt einige wichtige Punkte, die er mit
Ihnen besprechen möchte. Es geht um humanitäre Hilfe und die Frage der Umsiedlungen.«
»Danke, Admiral«, sagte Culver und wandte sich lächelnd seinen Zuhörern zu.
»Wenn Sie mich dann entschuldigen würden«, fügte Ritchie hinzu. »Meine Anwesenheit ist bei den folgenden Punkten nicht erforderlich, und ich hab eine dringende Telefonkonferenz. Bitte bleiben Sie sitzen …«
Er machte eine abwehrende Handbewegung, und der japanische Generalkonsul sank zurück auf seinen Stuhl. Ritchie verließ den Raum, und Culver dankte den Regierungen der anwesenden Diplomaten für die bisher geleistete Hilfe.
Ein Adjutant erwartete ihn hinter der Tür und führte den General den Korridor entlang in einen vorübergehend eingerichteten Kommunikationsraum. Ständig über den weitläufigen Campus des PACOM-Areals zu hetzen war zeitraubend, und deshalb hatte Ritchie angeordnet, einige Räume in diesem alten Kolonialhaus so einzurichten, dass er seine wichtigsten Angelegenheiten ohne Zeitverlust erledigen konnte. Immerhin hatte sich hier auch schon vor dem Großen Verschwinden seine eigentliche Zentrale befunden.
»General Musso und General Franks sind online, Admiral. Aber ich fürchte, die sichere Leitung nach Brüssel ist ausgefallen, weshalb wir General Jones nicht dazunehmen können«, erklärte ein Navy Commander namens Oakshott. »Außerdem gibt es Schwierigkeiten mit der Verbindung nach Fort Lewis.«
»Dann versuchen Sie es eben weiter«, brummte Ritchie. »Ich weiß, dass überall Verbindungen ausfallen, aber dieses Netzwerk soll einen Atomschlag aushalten können, dann wird es ja wohl auch in dieser Situation funktionieren.«
»Selbstverständlich, Sir. Wir arbeiten dran. Aber das ist nicht das Einzige …«
Oakshott reichte ihm einen versiegelten Umschlag mit einem roten Stempel: TOP SECRET - ECHELON. NUR FÜR SIE BESTIMMT.
»Was, zum Teufel, soll das denn?«, murmelte er, während er in den Raum eintrat, der inzwischen von den niedrigeren Rängen »die Funkbude« genannt wurde. »Einen Moment noch, Commander. Können Sie mich bitte bei den Generälen wegen dieser kurzen Verzögerung entschuldigen?«
»Jawohl, Sir.«
Ritchie trat in einen schallsicheren Raum und schloss die Tür hinter sich. Es war sehr eng hier, man hatte kaum mehr Platz als in einem Schrank. Er riss den braunen Umschlag auf, las die Mitteilung und
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