Der Effekt - Roman
»Ich sorge in Mayan und Fairmont für Sicherheit.«
Damit willst du wohl sagen, dass du von den Leuten hier Schutzgelder erpresst, dachte Jules.
»Das trifft sich gut«, antwortete sie. »Denn genau dahin wollen wir. Vielleicht können Sie mich und meine Freundin ja zu unserem Ziel eskortieren …«
Fifi zwinkerte und grinste ihn an, behielt aber den Finger am Abzug des Maschinengewehrs. »Howdy, Capitán«, sagte sie.
»… dann könnten wir unsere Angelegenheiten in aller Ruhe erledigen.«
»Was für Angelegenheiten?«
Er war sofort alarmiert, befürchtete, jemand könnte in seinen Herrschaftsbereich eindringen. Jules fragte sich, was er wohl früher gemacht hatte. Für einen Gangster schien er zu intelligent zu sein, trotzdem hatte er eine Gang um sich versammelt. Seine Leute waren offensichtlich nicht besonders gut organisiert, es schien keine Hierarchie zu geben. Vielleicht stimmte es ja sogar, dass er und seine Leute für die Sicherheit der nahe gelegenen Hotels sorgten. Auch Shah und seine Männer waren für eine derartige Tätigkeit bezahlt worden und kümmerten sich jetzt auf die gleiche Art um sie.
»Da sind noch einige Amerikaner«, improvisierte sie. »Ihre Regierung hat eine Evakuierung angeordnet, und wir sollen dafür sorgen …«
»Die haben keine Regierung mehr«, unterbrach er sie. »Die ist weg.«
»Nicht alles.« Sie lächelte entwaffnend. »Nicht der Teil, der die Waffen, Panzer und das alles hat. Sie wissen schon, das Militär. Von denen gibt es noch eine ganze Menge, und wenn Sie die Nachrichten verfolgt haben, werden Sie wissen, dass sie jedem amerikanischen Staatsbürger Geleitschutz geben, wenn sie es wollen. Wir gehören
zu diesem Geleitschutz. Wir sind … dafür angeheuert worden.«
Sie hob ihr Gewehr hoch, um ihre Behauptung zu unterstreichen. Sie hatte mit gedämpfter Stimme gesprochen, damit nur er sie verstehen konnte.
»Ich kann mir schon denken, was hier passiert, du Schlampe …«, stieß er mit einem Mal wütend hervor, hob die Hand und deutete an, dass er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen würde, mehr aber nicht.
»Wahrscheinlich habt ihr euch an einigen Gästen vergriffen. Vielleicht habt ihr sogar den einen oder anderen Gringo ein bisschen hart rangenommen. Und dann seid ihr plötzlich auf die Hotels zugegangen und habt eure Dienste zur Verhinderung derartiger Überfälle angeboten. Und natürlich sind solche Dienste nicht umsonst zu haben. Die Männer müssen bezahlt, die nötige Ausrüstung beschafft werden, außerdem das Zeug zum Rauchen und Trinken und die Nutten, die auch nicht gerade billig sind. Und nun habt ihr vor, die Leute so lange auszuquetschen, bis sie nichts mehr haben, richtig?«
Er grinste sie schweigend an. Jules trat einen Schritt auf ihn zu und schlug einen versöhnlicheren Ton an.
»Du bist doch ganz offensichtlich der Anführer hier. Du siehst auf jeden Fall hundertmal schlauer aus als die anderen. Was warst du, bevor das alles passierte? Polizist? Soldat? Oder so was Ähnliches?«
Er antwortete nicht, aber er verzichtete auch darauf, seine Drohgebärde wahrzumachen. Er hörte zu.
»Denk mal darüber nach, Schlaukopf. Denk mal darüber nach, wie teuer eine Tasse Kaffee schon geworden ist, oder ein Bier oder ein Taco. Und frag dich, was es noch vor zwei Tagen gekostet hat. Denk mal drüber nach, was mit dem Geld passiert, das du den fetten reichen Dummköpfen abnimmst. Meinst du, es ist am nächsten Tag noch genauso viel wert? Ist es nicht. Und das hast du
auch schon gemerkt, stimmt’s? Du bist nämlich ein bisschen intelligenter als die anderen.«
Er nickte kaum merklich.
»Überlege mal, wie schnell das alles passiert. Was glaubst du wohl, wie lange das Geld, mit dem hier bezahlt wird, überhaupt noch etwas taugt.« Jules deutete auf die Hotels. »Bald ist es wertlos, und dann kannst du dir den Arsch damit abwischen. Und wie lange wird das dauern? Noch eine Woche oder zwei? Das Geld der Reichen wird schon wertlos sein, bevor du es ihnen überhaupt abgenommen hast.«
Sie merkte, dass sie damit einen Nerv getroffen hatte. Jetzt musste sie schnell weitermachen, bevor er zu dem naheliegenden Schluss kam, die Hotels sofort auszuplündern. Sie trat direkt vor ihn hin und bemühte sich, nicht bedrohlich zu wirken. Er war sieben oder acht Zentimeter größer als sie. Sie nutzte es aus, indem sie ihn von unten herauf anschaute.
»Diese Stadt fällt auseinander. Du bist ein Teil von ihr, stimmt’s? Du hast dir überlegt, wie es hier
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