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Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Titel: Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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bestehen:
            landstraße
            spaziergang auf uferweg
            schwimmzüge im wasser
            ihre körper im sand
 
    Ein Anruf, denkt er, und alles könnte sich wiederholen.
    Ein Remix.
 
    Doch erst am dritten Tag, nach drei Tagen Warten, sehen sie sich wieder. 17 Uhr, er holt sie am Kiosk ab, zur Begrüßung ein Kuss, aber nicht auf die Lippen, er hilft ihr beim Aufräumen. Sie binden unverkauft gebliebene Zeitungen zu Bündeln zusammen, tragen Kartons zum Ausgang, nur zwischendrin betrachtet er sie, denkt:
            spaziergang am uferweg, schwimmzüge im wasser,
ein schimmerndes piercing
    Er fragt, wie ihr Tag gelaufen sei, und sie antwortet, dass Haribo-Colaflaschen besser gegangen seien als Hanutas.
    Das klinge nicht sehr spannend, stellt er fest, aber jetzt, wo er da sei, könnten sie etwas Hübsches unternehmen, könnten sich ein Auto mieten.
    Der Versuch ist zu plump, sie antwortet nicht.
    Oder er koche etwas.
    Ob er überhaupt kochen könne, erwidert sie, die Frage kommt ihm bekannt vor.
    Pasta mit Lachssoße, sagt er, mit Pasta in Lachssoße glaubt er sich auf der sicheren Seite.
    Eine Unterhaltung, als wäre sie geloopt.
    Und was hat er gemacht, fragt sie.
    Er hat sich um Atteste für die Uni gekümmert.
    Will er denn weiterstudieren?
    Er zuckt mit den Achseln.
    Am Seeufer hat er erzählt, dass ihm sein Leben wie ein fauler Kompromiss erscheine; ich wollte nie Lehrer werden, hat er gesagt, ich habe nur mit Lehramt begonnen, weil mir die Energie für Journalismus fehlte, und dann hinzugefügt, dass er im Grunde aber auch nicht sagen könne, was ihn an Journalismus interessiere. Er habe Journalismus für irgendwie kritisch gehalten, aber wisse gar nicht genau, was das bedeute: kritisch. Am Seeufer hat er behauptet, dass er einen Schnitt machen wolle, aber jetzt auf Dems Frage, antwortet er nur:
    Keine Ahnung.
    Früher, denkt er im Stillen, war es einfacher, kompromisslos zu sein, denn es gab stets einen Weg zurück. Jetzt hingegen kann man wirklich herausfallen, man fällt und ist weg. Einerseits kommt man nicht mehr hinaus aus diesem Leben, weil alles dazugehört, selbst der Ausbruch Teil der ganz normalen Lebensführung ist, gleichzeitig aber kann man richtig herausfallen, ins Bodenlose stürzen, in die mittellose Existenz.
    Ich weiß nicht, wiederholt Daniel also, ob ich weiterstudieren werde, ich muss es mir offen halten, er denkt: ich muss weiter meinen faulen Kompromiss leben, ich wüsste ja auch gar nicht, was das andere sein soll.
    Sie kniet sich auf einen Zeitungsstapel, drückt das Körpergewicht gegen das Papier, und er fragt, ob sie eine Ausbildung gemacht habe.
    Keine richtige Lehre, antwortet sie, nur ein Förderprogramm. Sie habe als Druckerin gearbeitet, erst zwei Jahre im Programm, danach ein paar Monate in einem Job.
    Würde sie denn wollen, dass er Lehrer wird?
    Sie macht ein erstauntes Gesicht. Was gehe sie das an?
    Wenn sie zusammen wären, sagt er, ginge es sie was an.
    Sie legt die Stirn in Falten, er weiß nicht, ob nachdenklich oder verwundert, und wiederholt: zusammen ?
 
    Auf der Parkwiese, draußen im Nachmittagslicht, schauen sie den Leuten beim Fußballspielen, Drogenkaufen, Hundeausführen zu, und auch wenn sich die Vertrautheit der ersten Begegnung nicht recht einstellen will, genießt er Dems Nähe, die Möglichkeit, sie wie zufällig zu berühren, mit dem Arm leicht zu streifen, wenn er sich vom Rücken auf die Seite dreht, auf der Parkwiese ausstreckt.
    Sie haben sich zu trinken geholt, Dem dreht einen Joint, vertrocknete, abgebrochene Grashalme stechen im Rücken, es riecht nach Savanne, die Zeit verstreicht ereignislos. Auf dem Rücken liegend, blicken sie in den Himmel, beobachten die Zacken eines Schwalbenflugs, Schleierwolken in den höheren Atmosphärenschichten, die Kondensstreifen eines kreuzenden Flugzeugs: drei Streifen, die den Himmel zum Sportschuh, einer Trainingsjacke, einem Logo werden lassen, und Daniel fragt, ob das wohl auch unter Markenrecht fällt, ob die Fluggesellschaften für die Verwendung des Logos Lizenzgebühren zahlen müssen oder ob ihnen umgekehrt für diese besonders subtile Form der Werbung Geld bezahlt wird.
    Als der Muezzin vom stillgelegten Flughafen herüberruft, vom Minarett auf dem alten Flughafengelände, als Lautsprecherboxen auf DVD gebrannte Verse herüberschallen lassen, ein Sportwagenmotor aufheult, aber diesmal nicht wie ein angefahrenes Tier, sondern wie ein hysterisches

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