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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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hatte sich plötzlich wie ein amerikanischer Anwalt angehört, was schon für sich genommen amüsanter war als das Argument selbst.
    Aus dem Flug in der Touristenklasse von Paris nach Los Angeles wurde nichts. Kaum hatte das Bodenpersonal am Flughafen Charles de Gaulle ihren Namen in den Computer eingegeben, schien dieser Alarm zu schlagen. Nach kurzer geflüsterter Beratung hatten die verblüfften Bodenstewardessen, die ihnen ab und zu Seitenblicke zuwarfen, sie schnell in die Erste Klasse umgebucht. Zu ihrem großen Vergnügen, während er eher verlegen zu sein schien.
    »Ach so, du Wiesel, du hast Air France gepflückt, um ohne Gewissensbisse Erster Klasse zu fliegen, nur weil sie dir eins schuldig sind«, neckte sie ihn, als die Maschine abhob und die Stewardessen mit dem Champagner herbeieilten.
    »Es heißt nicht Wiesel«, korrigierte er mit verkniffenem Mund, »das ist amerikanisch. Auf schwedisch heißt es in diesem Fall Fuchs. Außerdem habe ich nicht Air France gepflückt , sondern gewählt. Außerdem sind sie mir nicht eins schuldig, sondern einen Gefallen. Sonst war alles richtig!«
    Sie hatten beschlossen, schwedisch zu sprechen, um unbeschwert und ungestört unter sich zu sein; wenn einer der anderen sechs Erster-Klasse-Passagiere Schwede gewesen wäre, hätten sie es an seinem Starren gemerkt. Wenn es um die Alltagssprache ging, war Tessie fest entschlossen. Sie wollte zumindest eine Stunde an jedem Tag schwedisch sprechen.
    Das war ihr eigener Vorschlag gewesen, doch jetzt bereute sie ihn. Englisch wäre besser für sie gewesen, wenn sie den Versuch machen wollte, etwas aus ihm herauszubekommen. Er war irgendwie anders als sonst, wie sie fand, fast etwas abwesend und passiv, als dächte er die ganze Zeit an etwas anderes, wollte aber nicht zeigen, daß ihm andere Dinge im Kopf herumgingen.
    Sie wechselte das Thema. Sie selbst war seit der Kindheit zweisprachig, und wie sollten sie es mit ihren Kindern halten?
    Genauso, bemerkte er fast nebenbei, während er die in Französisch und Englisch abgefaßte Speisekarte studierte. Genauso. Sehr einfach. Er werde mit dem Kind Schwedisch sprechen und sie Englisch. Außerdem hätten sie das gesetzliche Recht, das Kind zusätzlich entweder in Spanisch oder Englisch unterrichten zu lassen. So wolle es das schwedische System, der sogenannte Muttersprachenunterricht. Er sah sich genötigt, das Wort ins Englische zu übersetzen, da sie zunächst bezweifelte, richtig gehört zu haben. Nun, unter Muttersprache verstehe man also nicht Schwedisch, selbst wenn das Kind in Schweden mit einem schwedischen Vater geboren werde. Muttersprache in diesem Sinn sei entweder Spanisch oder Englisch. Die Mutter habe die Wahl.
    Tessie interessierte sich plötzlich sehr für das Thema. Die kalifornischen Kinder, die spanische Schulen besuchten, hatten im allgemeinen schlechtere Möglichkeiten, sich in der amerikanischen Gesellschaft zu behaupten. Sie selbst war eine heftige Gegnerin dieses Systems gewesen. Millionen Amerikaner waren auf Italienisch oder Spanisch angewiesen, und die entsprechende soziologische Statistik war nicht schwer zu deuten. Sie wollte sich zu Hause in dieser Frage engagieren, also zu Hause in Schweden. Überhaupt wollte sie sich bei Dingen engagieren, mit denen sie sich schon ihr halbes Erwachsenenleben lang beschäftigt hatte, den Rechten von Minderheiten und dem Kampf gegen Diskriminierung.
    Er hörte aufmerksam zu und gab ihr recht. Es wäre gut, wenn sie sich mit etwas beschäftigen konnte, was ihr persönlich wichtig war, wenn sie in Schweden leben wollte. Der Job bei IBM in allen Ehren, aber sie solle etwas mehr tun, wie er meinte, etwas, was zu ihr passe, etwas, was sie nicht aus Gründen des Gelderwerbs tue, sondern ausschließlich, weil es ihr wichtig sei. Mit dem Lebensunterhalt werde es im übrigen ohnehin nie Sorgen geben.
    Sie sah ihm an, daß er sehr ernst war. Die Erinnerungen, die diese Erkenntnis wachrief, machten sie ein wenig sentimental. Dieser Gesichtsausdruck war das erste, was sie vor langer Zeit an den Stränden San Diegos an ihm wahrgenommen hatte, als sie sich schon ein paar Mal getroffen hatten. Es war das, was in ihren Augen das typisch Schwedische war, das, was schwedische Männer so deutlich von amerikanischen unterschied. Für ihn war es selbstverständlich, daß sie einen eigenen Beruf hatte, selbst wenn er nach Maßstäben, wie sie in Santa Barbara zählten, ein reicher Mann war. Das hatte nichts mit Geld zu tun. Es war etwas

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