Der einzige Sieg
war schon mit einem einzigen Flugzeugträger in der Region garantiert. Aus dem Blickwinkel einer Wahlkampfsituation war das ein angenehmer Krieg. Doch damit stellte sich wieder die Frage nach dem definierten Ziel. Wo sollte man bombardieren und warum !
Ein zweiter Krieg gegen Saddam Hussein wäre vermutlich die sicherste Karte. Andererseits konnten weder George Bush noch die amerikanischen Streitkräfte danach mit neuen Huldigungen und erneuter Heldenverehrung rechnen, da sie dann nur auf einen bereits am Boden liegenden Mann eintreten würden.
Die Fernsehpropaganda sprach jedoch eine deutliche Sprache. Die USA hatten damit begonnen, einen Krieg gegen Libyen vorzubereiten. Das Ganze war sehr geschickt angelegt und in weniger als einem Monat organisiert.
Plötzlich tauchte aus dem Nichts die konkrete Behauptung auf, zwei namentlich bekannte Offiziere des libyschen Nachrichtendienstes stünden hinter der Sprengung einer Pan-Am-Maschine über Lockerbie vor vier Jahren. Wo diese Behauptung ihren Ursprung hatte, war Carl ebenso unklar wie anderen Fernsehzuschauern, aber plötzlich »wußte« die gesamte Weltpresse, daß diese beiden Libyer die Maschine des Fluges 103 mit 270 Passagieren an Bord in die Luft gesprengt hatten. Unter den Toten war auch ein wichtiger Schwede gewesen. Und auch die schwedischen Medien hatten sich vor Carls Abflug aus Stockholm dieser Frage bemächtigt.
Als jetzt die ganze Welt »wußte«, wie es zu diesem Sabotageakt gekommen war, bestand der nächste Schritt darin, daß die USA die Frage im UNO-Sicherheitsrat zur Sprache brachten und verlangten, die beiden Verdächtigen müßten an die USA ausgeliefert werden, wo man ihnen den Prozeß machen wolle. Als Alternative wurde vorgeschlagen, den Prozeß in Großbritannien stattfinden zu lassen.
Nur wenige Länder der Welt liefern eigene Staatsbürger an feindlich gesinnte Länder aus, wenn ihnen dort der Prozeß gemacht werden soll. Die USA gehören ebensowenig dazu wie Großbritannien, Schweden oder Libyen. Dafür muß man sich allerdings verpflichten, die Verdächtigen im eigenen Land vor Gericht zu stellen, und ausländischen Behörden das Recht einräumen, dort ihre Beweise vorzulegen. Es konnte kaum überraschen, daß Libyen soeben diesen Standpunkt eingenommen hatte.
Da steigerten die USA, was wiederum kaum überraschen konnte, ihre Forderungen im UNO-Sicherheitsrat und setzten Libyen eine Frist: Wenn Libyen seine Verdächtigen nicht vor dem 15. April an die für des Terrorismus verdächtigte Libyer perfekte Justiz in den USA ausliefere, werde das UNO- Embargo gegen Libyen in Kraft treten.
Das war vor zwei Tagen geschehen. Seitdem durfte Libyen keinen internationalen Flugverkehr mehr betreiben, keine Waffen importieren und mußte sein diplomatisches Personal in einer Reihe westlicher Länder stark reduzieren, vor allem in den USA.
Dem lag wohl der Gedanke zugrunde, wie Carl vermutete, daß es um so weniger potentielle Schmuggler gefährlichen Materials geben konnte, je weniger Diplomaten in einem Staat akkreditiert waren.
Folglich brachte CNN Stunde um Stunde und Tag um Tag Reportagen über das entsetzliche Libyen. Carl hatte seit zwei Tagen in den Berichten dieses Senders keinen einzigen Araber gesehen, der wie ein normaler Mensch englisch sprach, nur schreiende Personen mit Schwertern oder automatischen Waffen in den Händen. Immer wieder wurden neue Berichte über Moammar Ghaddafi gebracht, der mal für verrückt erklärt wurde – eine »Quelle bei der CIA« enthüllte, er sei sehr müde, weil er sich in den Kopf gesetzt habe, mit offenen Augen schlafen zu müssen, da sein ganzes Volk ihn ermorden wolle –, mal als zunehmende Bedrohung der ganzen Welt dargestellt wurde. Man war also dabei, ihn zu einem neuen Saddam Hussein aufzubauen und ihn als militärische Bedrohung der gesamten freien Welt an den Pranger zu stellen.
Carl war immer wieder verblüfft darüber, daß diese Journalisten niemals eines eigenen Gedankens fähig zu sein schienen. Sie brachten es nicht einmal fertig, die Angaben zu prüfen, die ihnen »Quellen bei der CIA« und andere zuspielten. So wurde von einem Industriezentrum in einem Ort namens Rabta in Libyen behauptet, dort würden chemische Waffen hergestellt. Man erklärte im Brustton der Überzeugung, man könne sich dabei auf Quellen beim britischen Nachrichtendienst und bei der Sunday Times verlassen. Wie es hieß, würden dort dreihundert Tonnen chemische Bomben pro Woche hergestellt.
Carl rechnete im
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