Der einzige Sieg
aus, streckte sich und trat auf den Balkon.
Es herrschte klares Wetter. Die Sonne strahlte, so daß der weiße Putz in der Umgebung blendete. An den langen Sandstränden waren nur wenige Menschen zu sehen, und niemand badete. Die Temperatur war wie in einem angenehmen schwedischen Sommer, und Carl ging alle eineinhalb Stunden ins Wasser, wobei er unruhig nach einem weißgekleideten Hotelangestellten Ausschau hielt, der zum Strand kommen und winken sollte, wenn der Anruf endlich erfolgte.
Die Kriegspropaganda in CNN machte Carl bemerkenswerterweise nichts aus. Sie zeigte nur, daß Operation Green Dragon tatsächlich eingeleitet worden war. Man nahm die Sache in Washington ernst. Inzwischen hatten sie mit einer weichen Eskalation in Richtung Krieg begonnen. Auf dem Weg zur Katastrophe gab es vermutlich noch Zeit, sich etwas anderes und Besseres einfallen zu lassen. Carl war erstaunt, wie leicht sich die Medien manipulieren ließen. All der Unfug, den er sich angehört hatte, hatte ihn kaum entrüstet gemacht.
Das Hotel hieß Abou Nawas und lag in Gammarth, ein paar Dutzend Kilometer von Tunis entfernt an der Küste. Sein lokaler Kontaktmann bei der CIA hatte ihm das Haus empfohlen. Es war angenehm und völlig frei von Offizieren der Nachrichtendienste und Agenten, die in Tunis herumrannten und einander jagten. Dennoch brauchte er nur eine halbe Stunde mit dem Auto, um in die Stadtmitte zu kommen.
Carl hatte mit seinem lokalen CIA-Kontaktmann nur ein paar Mal am Telefon gesprochen. Sie brauchten sich erst dann zu treffen, wenn sich etwas zusammenbraute. Carl hatte ein wenig darüber nachgedacht, weshalb das Weiße Haus gerade einen rangniederen Beamten der CIA als Kontaktmann ausgewählt hatte, und vermutete, daß die Amerikaner die Verbindung ganz einfach auf so niedrigem Niveau ansiedeln wollten, damit sie alles abstreiten konnten, wenn etwas schiefging; wenn es aber gutging, wollten sie gleich zur Stelle sein können, um die Ehre für sich zu reklamieren. Carl hatte nichts dagegen einzuwenden. Er fand es vielmehr gut, es mit einem Amerikaner zu tun zu haben, vor dem er kaum strammstehen mußte, um dauernd Yes Sir oder No Sir zu sagen; jetzt würde es vermutlich eher umgekehrt werden.
Sein Hotelzimmer gefiel ihm. Es war einfach und sehr geschmackvoll eingerichtet, jedoch in nur zwei Farben. Die Wände waren wie in Tunesien üblich weiß gekalkt, und Kleiderschränke, Betten und andere Möbel waren in Dunkelbraun gehalten und mit geschnitzten Ornamenten versehen. Einfach und schön. Gut für den Seelenfrieden. An der Wand nur ein einziges Bild, eine ockerfarbene Moschee mit türkisgrünem Dach und einem Halbmond auf dessen Spitze, der zusammen mit der Form des Moscheeportals darauf hinwies, in welchem Teil der arabischen Welt er sich jetzt befand.
Tunesien hatte das Glück im Unglück gehabt, von Franzosen kolonisiert zu werden, und folglich war das Essen exquisit und die Weinkarte absolut akzeptabel.
Das Telefon läutete. Carl stürzte ins Zimmer und riß den Hörer an sich. Es war jedoch nur sein CIA-Kontaktmann, der ihm ein gemeinsames Essen und ein persönliches Gespräch in Sidi Bou Said vorschlug, wo das hiesige CIA-Büro eine »Sprachenschule« gegründet hatte, die es tatsächlich gab. Es war keine reine Tarnfirma.
Carl zögerte ein wenig mit der Antwort. Bevor er von der PLO den entscheidenden Anruf erhalten hatte, wollte er ungern sein Telefon verlassen. Andererseits war es für die PLO typisch, Besprechungen und Konferenzen zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens anzusetzen; sie lebten, als hätten sie ständig den Fastenmonat Ramadan. Die wirklich üppige Mahlzeit des Tages wurde in der Nacht eingenommen, bevor die Sonne aufging. Carl sagte widerwillig zu und erhielt die kurze Anweisung, er solle zu dem einzigen Parkplatz in Sidi Bou Said fahren. Dort werde er abgeholt werden.
Unten in der Halle schärfte er dem Portier nochmals ein, man dürfe keine telefonischen Mitteilungen vergessen. Dann begab er sich zu seinem französischen Mietwagen, der in der Sonne gestanden hatte, so daß der Innenraum glühend heiß war. Carl schaltete die Klimaanlage auf volle Kraft und verließ mit einiger Mühe das fast zugeparkte Stadtviertel, bis er auf der gewundenen Straße landete, die ihn zu dem etwas weiter nördlich gelegenen Dorf bringen würde. Er brauchte nur der Küstenlinie zu folgen.
Die Straße schlängelte sich immer höher hinauf, und die Aussicht wurde schon bald grandios. Ihm fielen
Weitere Kostenlose Bücher