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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Gesichtsausdruck in dieser Hinsicht unmißverständlich war.
    Also. Eine Festnahme stehe vermutlich unmittelbar bevor. Als erster strafrechtlich relevanter Tatbestand komme natürlich Mord in Frage. Aber darüber hinaus gab es noch ein weiteres Verbrechen, nämlich einen schweren Verstoß gegen die Einfuhrbestimmungen, denn irgend etwas war ja aus Murmansk geschmuggelt worden, etwas, was sowohl ein Menschenleben als auch ein Honorar von einer halben Million wert war. Die Frage war also, um was es sich handelte. Möglicherweise Waffen irgendwelcher Art, womit also weitere Verbrechen vermutet werden konnten. Und es wäre gut, wenn man diesen Teil der künftigen Ermittlung schon in diesem Stadium vorbereiten würde. Niemand konnte wissen, wie kooperationsbereit sich die Täter nach der Festnahme zeigen würden.
    Außerdem waren hier unleugbar Ortskenntnis, Menschenkenntnis sowie einige Sprachkenntnisse erforderlich, die sich schon bisher als unerhört wichtig erwiesen hatten. Dieser Lasse Holma hatte ja alles mögliche gemacht und war nur gelegentlich für NORRFRYS gefahren. Unter den festangestellten Fahrern, die schon seit mehreren Jahren bei der Firma arbeiteten, mußte es ja Kenntnisse darüber geben, was man schmuggeln konnte und wie sich zusätzliches Geld verdienen ließ. Das Problem war natürlich, daß sie vielleicht das eine oder andere getan hatten, worüber sie nicht mit der Polizei sprechen wollten. Folglich mußte man versuchen, die Gespräche etwas vertraulicher zu führen, und die Fahrer zu der Einsicht bringen, daß sie selbst nicht verdächtig waren und daß ihre eventuellen Erklärungen von der Polizei vertraulich behandelt werden würden.
    Natürlich gab es bei einem solchen Ansatz ein gewisses Problem mit der Glaubwürdigkeit. Aber hier wurde nun mal in einer Mordsache ermittelt, und das war die Hauptsache. Einer dieser Männer, außerdem einer, der nur gelegentlich für die Firma arbeitete, war ermordet worden, nur dieser eine. Sonst niemand. Man konnte also davon ausgehen, daß er sich auf etwas eingelassen hatte, was die anderen nicht getan hatten. Aber es konnte ja etwas sein, wovon sie vielleicht gehört hatten.
    Vielleicht hatten sie Wodka geschmuggelt oder russischen Kaviar, Dinge, die sie für westliche Devisen eingekauft hatten, schlimmstenfalls Ikonen oder andere kostbare Dinge, mit denen etwa auch schwedische Sportfunktionäre ihr Einkommen aufbesserten. Im Augenblick bestand aber kein Anlaß, deswegen Staub aufzuwirbeln. Denn wenn diese Hypothese zutraf, hatten die anderen ihre Kriminalität auf eine Ebene verlegt, die einigermaßen verständlich und nachvollziehbar war, falls Polizisten selbst unter vier Augen überhaupt so argumentieren konnten. Wenn man diese Leute geschnappt hätte, wäre es kein Weltuntergang gewesen. Man hätte sie nicht mal entlassen.
    Doch Lasse Holma hatte etwas anderes getan, vielleicht etwas, wovon seine festangestellten Kollegen gehört hatten, an das sie sich selbst aber nicht herangewagt hatten.
    »Das ist also die Frage«, schloß Rune Jansson. »Ich schlage vor, daß du dich eine Zeitlang mit diesen Dingen beschäftigst, während wir das Netz da unten in Örebro zuziehen.«
    Aber ja doch, scherzte er in einem Versuch, so zu sprechen wie seine Umgebung der vergangenen Woche, aber ja doch, natürlich habe er mit dem Polizeidirektor darüber gesprochen. Alles sei klar, sie brauchten nur loszulegen.
    Sie standen auf und gaben sich stumm die Hand. Was irgendwie lustig war, da beide in die gleiche Richtung wollten, nämlich zum Bistro des Stadthotels, dem »Gulaschbaron«.
    Bei seinem ersten Besuch in Moskau hatte eine Hitzewelle geherrscht. Zehn Tage lang hatte die Stadt unter Temperaturen von mehr als vierzig Grad im Schatten gelitten. Überdies war es zu Beginn der Glasnost-Periode gewesen, und die Stimmung unter den leichtgekleideten und schwitzenden Menschen auf den Straßen oder in der Kühle der U-Bahn war von greifbarer Heiterkeit gewesen. Damals kostete ein Dollar nur vier Rubel, und die Wirtschaftskrise hatte noch nicht ihr wirkliches Gesicht gezeigt. Außerdem war die Macht in der Stadt noch nicht von Gangstern und Verbrechern übernommen worden.
    Jetzt war es Januar, zwar mäßig kalt, aber mit viel Schnee. Die nicht sehr effektive Straßenreinigung ließ es geraten erscheinen, nur mit Gummistiefeln auf die Straße zu gehen. Er hatte nur einen einzigen kurzen Spaziergang geschafft. Er hatte ungefähr den gleichen Weg gewählt wie damals am ersten

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