Der Eiserne König
aus seinem Zottelfell pulte und sie genüsslich zerkaute.
»Vergebt ihnen, Herr«, sagte Grimm, indem er sich umdrehte, »und lasst diese Hexen frei. Sie haben alles getan, um Euch ins Leben zurückzuholen.«
Der Eiserne König sah ihn aus Augen an, in denen noch die Kälte des Todes lag. »Haare sind mächtig«, flüsterte er. »Sie hätten die Granitplatte zerschlagen müssen. Stattdessen haben sie meinen Bart gekappt.« Er schlug mit einer Faust auf seinen Schuppenpanzer.
»Vergebt ihnen, Herr«, wiederholte Grimm, fiel auf ein Knie und sah aus den Augenwinkeln zu den dreizehn Hexen, die von Blaubarts Männern an einen Felsen gekettet worden waren. »Ich bin überzeugt, dass sie ihre Freveltat bereuen.«
Eisenhans beäugte hungrig die Spinnen und Asseln, die die Panzerschuhe des Königs umwogten.
»Sie sind wertvolle Verbündete«, ergänzte Grimm. »Bedenkt ihre Position und das, was sie noch für Euch tun könnten.«
Der Blick des Königs glitt wieder über das Lager seiner Streitmacht: Standarten und Banner, Zelte und Planen, Feuer und Rauch, dazwischen das Hin und Her der Geschöpfe und Menschen, die seinem Ruf gefolgt waren. Er zog den Bart aus der Halsberge und starrte ihn an. Dann stieg er vom Findling. Spinnen und Asseln wimmelten hinterher, als er mit schwerfälligen, klirrenden Schritten zu den Hexen ging; zwei Wesen der Wilden Jagd trugen ihm Helm und Schild nach.
Grimm kam auf die Beine.
Vor dem Felsen, der zwei Königsgräber voneinander trennte, blieb der Eiserne König stehen. Er legte beide Hände auf den Schwertknauf, musterte die in Ketten liegenden Hexen, die ihren Blick demütig gesenkt hielten, und sprach: »Weiber wie euch habe ich früher eigenhändig enthauptet.«
»Ich kann das für Euch erledigen, Herr«, rief Blaubart. Er zog sein Schwert und kam herbei, ein hagerer, hochgewachsener Mann mit verkniffenen Lippen und mit Augen, stechend und wässrig zugleich. Sein Bart hatte tatsächlich einen bläulichen Schimmer.
Der Eiserne König bremste ihn mit erhobener Hand. »Wie ich höre, könnt ihr Kämpfer aufbieten?«, fragte er die Hexen und fügte hinzu: »Du da – hoch mit dir!«
Die älteste Hexe stand auf. »Ja«, erwiderte sie heiser, »das können wir.«
Der Eiserne König betrachtete angewidert ihren Klumpfuß.
»Unsere Männer sind Krieger des Eisernen Königs«, rief die jüngste Hexe. »Und wir sind Eure Kriegerinnen, Herr.«
Der König lachte, aber sein Lachen klang bedrohlich.
Grimm starrte die junge Hexe an, die mehrere Narben auf der linken Gesichtshälfte hatte.
»
Kriegerinnen
«, sagte der Eiserne König spöttisch. »Oh, ich kannte Frauen, die mit Klauen und Zähnen für ihre Familie gekämpft haben. Aber …« – er zog das Schwert ein Stück aus der Scheide – »… keine hat es überlebt.«
Nun lachte auch Blaubart. Sein Lachen war so melodisch wie der Gesang einer Amsel und stand im schroffen Gegensatz zu der Grausamkeit, für die er berüchtigt war. Hinter ihm trottete ein Trupp Karontiden vorbei; Staub wirbelte auf, als ihre Schwänze den Boden peitschten.
Der Eiserne König kniff die Augen zusammen. »Du bist sehr vorlaut«, sagte er zur jüngsten Hexe. »Aber wie ich höre, hast du viel für mich getan.«
»Oh, ja, das hat sie, Herr«, beeilte sich Grimm zu sagen. »Sie ist Euch treu ergeben.«
Der König sah ihn abschätzig an. Dann sagte er: »Das Wort Gnade ist mir fremd. Aber wenn ihr weiter für mich streitet, will ich gerecht sein.« Dann befahl er Blaubart: »Brennt ihnen das Schandmal auf die Stirn, damit sie nie vergessen, welcher Frevel es war, meinen Bart zu kappen.« Er schlurfte davon, gefolgt vom Gewoge der Asseln und Spinnen.
Blaubarts Männer erhitzten Brandeisen im Feuer, rissen den Kopf jeder Hexe an den Haaren zurück und zeichneten ihre Stirn mit dem Schandmal, ein Kreis mit einer Spirale.
Die Hexen zuckten mit keiner Wimper. Nachdem man ihre Ketten gelöst hatte, blieben sie schwer atmend sitzen. Grimm trat neben die Jüngste und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter.
»Ich bin entstellt«, flüsterte sie und schüttelte Grimms Hand ab. »Aber ich bezahle diesen Preis gern, wenn ich nur meinem König dienen kann.«
Der Rauch der im Königskessel lodernden Feuer schien den Himmel wie mit Fäden an die Erde zu binden. Im Feldlager trat Stille ein, als der Eiserne König die Arme ausbreitete. Alle Augen wandten sich ihm zu.
»Die Zeit ist reif!«, rief er. »Schwärmt aus und zeigt diesem Land, wer der wahre
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