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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Tage dauernden Fußmarsch über den Streckenkopf hinaus. Judah und seine Begleiter passierten die Flachwagen der Schwellenschneider, die kleinere und größere Baumbestände fällten, die Stämme entrindeten und zersägten, aufstapelten und weiterzogen. Hinter den Schwellen bestand das Gleisbett aus Steinschlag. Auf den Schwellen gehend, kam man sich vor wie auf den Sprossen einer am Boden liegenden Leiter, nun war es eine Schotterstraße, die Höhen durchschnitt, Tiefen überquerte. Noch waren die Planierer weit voraus.
    Fünf Tage sahen sie kein lebendes Wesen, ausgenommen Vögel. Sie bewegten sich durch ein gespenstisch leeres, gebirgiges Hinterland, gebildet aus Anhöhen und schmalen Wasserläufen. In die Felsen, die aufragten wie Stelen, hatte der Wind abstrakte Flachreliefs geschliffen. Das Gleisbett lief über das Land wie ein Relikt gewesener Größe, wie das Fundament einer Stadtmauer. Lärm tönte ihnen entgegen, sie näherten sich einem aufgerissenen Maul in einer Berglehne.
    Tunnelbauer hatten einen Pfad durch das Geröll am Fuß des Berges gewühlt. Neben dem Loch wimmelten Arbeiter in einem Lager, weitere Arbeiter kamen aus dem Felsinnern zum Vorschein und leerten Karren mit Bruchgestein auf die Halde. Sie waren zu weit entfernt von New Crobuzon, man konnte ihnen keine Bagger schicken. Auch war das Gestein möglicherweise zu hart, obgleich Judah Spaß daran hatte, sich vorzustellen, wie eine der mit einem Drillbohrer versehenen Maschinen, groß wie ein Eisenbahnwaggon, aus dem Boden auftauchte. Die Tunnelbauer waren in der Wildnis sich selbst überlassen, mit Spitzhacken und Schwarzpulver, hauten und sprengten einen Weg für Schienen, die erst nach Monaten hier ankommen würden.
    Die Remade, Presslufthämmer an Stelle der Gliedmaßen, wurden taub vom Lärm ihrer eigenen Arbeit. Zu ihnen gehörte ein Mann, dessen Arme man durch die vergrößerten Grabschaufeln eines Maulwurfs ersetzt hatte: Er konnte sich damit nicht durch diesen Fels wühlen, aber man hatte ihn zum Maskottchen des Trupps ernannt. In dieser Eigenschaft saß er mitten im Tunnel und sang aufmunternde Lieder. TRT Gendarmen hielten Wache.
    - Wohin des Wegs?, erkundigte sich der Inspektor.
    - Nach Süden. Cobsea, die Prärie.
    - Das Fenn, sagte Judahs Vermesserkollege.
    - Das Fenn, sagte der Inspektor. – Wäre verdammt lustig, wenn die Gleise jemals da ankommen. Na, was soll’s. Lustig können wir brauchen, stimmt’s?
    Judah nickte. Sein Begleiter lachte. Sieben Wochen später sollte er einem Sumpffieber zum Opfer fallen und Judah allein zurücklassen. Judah hatte an die Heliotypien und Stiche von den Feuchtgebieten gedacht, wie man sie in den Bibliotheken und Archiven betrachten konnte; an die Kreaturen, die zwischen Bäumen hervorkamen, die wassersatten Pflanzen. Er stellte sie sich alle in versteinertem Morast gefangen vor, unentrinnbar festgebannt.
     

     
    Ihr gebahnter Weg ging zu Ende. Sie kamen zu den Planierern, die abtrugen, wo der Boden sich emporreckte, und den Überschuss nahmen und hinschütteten, wo er sich senkte.
    Sie schnitzten einen Berg zu gestaffelten Plattformen für ameisenartige Geschäftigkeit. Die Erhebung wurde zu einer Zyklopentreppe, auf der Handlanger wimmelten und Lasttiere. Lössstaub wölkte. Stunde um Stunde sanken die Stufen auf ebenes Niveau hinunter. Eine Schlucht würde sein, wo der Berg gewesen war.
    Wie die Perlen eines Rosenkranzes, dachte Judah, ziehen sich die Bautrupps über das Land.
    Und nun ist Judah wieder zurück. Der Ewige Zug hat ihn eingeholt. Er ist ins Fenn eingedrungen.
    Das schwärzere der Moore breitet sich aus wie ein Ölteppich, aber nun ist es passierbar gemacht. Ein Damm führt in sein Inneres, verstärkt und gepanzert mit Steinen. Auf der Krone blinken die Schienen. Judah sieht eine Kerbe in den Bäumen und den schwarzen Qualm der Lokomotive.
    Materialzüge kommen, schwer beladen mit Schwellen und Pökelfleisch, mit schwarzen Eisenschienen. Judah könnte zurückfahren nach New Crobuzon. Doch etwas hält ihn fest. Die Dinge sind nicht zu Ende gebracht. Er will nicht zurück.
    Der morastige Untergrund hat das Vorankommen verlangsamt, und die Trupps haben zueinander aufgeschlossen: die Planierer, die Schwellenleger und die Motteks, die Nagelmänner, vor dem Zug selbst. Wyrmen schmarotzen. Der Tross hat sich vereint. Eine Zeltstadt hat sich hinter dem Ewigen Zug gebildet. Kneipenzelte, Tanzhallenzelte, Bordellzelte, vorgefertigte Gebäude aus billigen Brettern, Varietés für die

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