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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Zeile wird im Buch der Geschichte von ihnen künden, doch er will nicht schuld daran sein. Er hat sein Möglichstes getan, es zu verhindern.
    Die Trolle werden sterben. Wenn er etwas zu ihrem Schutz zurücklassen könnte. Wenn er diesem Felsen die Gestalt eines Wächters geben und ihm befehlen könnte zu warten, bei drohender Gefahr zu erwachen. Das Quasi-Pferd des Kopfgeldjägers scheut vor ihm, läuft gegen Fels, auf dem ein tiergestaltiger Abdruck aus Flechten bleibt.
    Ich bin hier fertig, denkt Judah. Seine Hand zittert, er zittert. Ich habe einen Menschen getötet oder eine Kreatur, die aussieht wie ein Mensch. Er ist erschöpft von der Anstrengung der Somaturgie, davon, die Gestalt des Golems aufrechtzuerhalten, vom Töten. Er bebt vor Grauen und Staunen über das, was er getan hat, dass er so etwas vollbringen konnte, einen Golem erschaffen nicht aus Lehm, sondern aus geschwängerter Luft. Ich bin fertig hier draußen in dieser barbarischen Wüstenei. Sie ist barbarisch, weil wir hier sind. Judah kann nicht glauben, zu was er fähig gewesen ist.
    Er verstreut die Töpfe und die schwelenden Reste des Feuers. Er macht sich auf den Weg zurück zum eisernen Pfad.
    In einer Art Trance gerät er in den Sog der Züge. Die Gegend, in der er den Schienenstrang trifft, ist einsam wie das Ende der Welt. Sein Pferd ist müde. Es fröstelt im staubfeinen Schnee. Judah reitet in die Berge, zu einem Dorf mit Blick auf die Streckenarbeiter unten.
    Obgleich die Männer mit allem versorgt sind, obgleich auch so weit entfernt vom Streckenkopf ein paar gelüstige Fräulein ihre Zelte aufgeschlagen haben, besuchen Planierer und Steinhauer gelegentlich das Dörfchen der Ziegenhirten, wo Judah sitzt und beobachtet. Die Dorfschönen gehen mit den Verführern aus New Crobuzon, mögen ihre Familien auch ohnmächtig mahnen und verbieten, sogar mit Gewalt es zu verhindern suchen, sie können nichts ausrichten und müssen’s dulden. Also pflegen sie ihre Verwundeten und nehmen es hin wie die Launen des Wetters. – Was können wir tun?, sagen sie. Sie sind besiegt von ihrer Duldsamkeit, den fehlenden Mitteln.
    Eine ihm vorher fremde Gelassenheit hat sich Judahs bemächtigt, seit die Trasse in sein Fenn eingedrungen ist. Er beobachtet die Welt durch Glas.
    Für seine Ziegen hütenden Gastgeber wird er zum Geschichtenerzähler des Dorfes. Sie gewähren ihm Obdach in ihren spitzkegeligen Zweighütten. Sie sind dankbar, weil er nicht so roh ist wie die Männer vom Ewigen Zug. In ihrem barbarischen Ragamoll bestürmen sie ihn mit Fragen.
    - Ist wahr, dass Feuerross machen Milch sauer?
    - Ist wahr, Feuerross töten Kind in Mutterleib?
    - Ist wahr, es machen schlecht Fische in Fluss?
    - Wie ist Name von Eisenweg?
    - Ich war dort, wo er endet, sagte Judah. Wie die Straße heißt? Diese Frage verblüfft ihn.
    Er hat eine junge Frau aus einer der Bauernfamilien gefunden, die mit ihm das Lager teilt. Ihr Name ist Ann-Hari. Sie ist einige Jahre jünger als er, ein Wildfang und hübsch. Er betrachtet sie als Mädchen, obwohl ihr Überschwang und ihr direkter Blick ihn manchmal sehr erwachsen und berechnend anmuten, als wäre ihre Naivität nur Maske.
    Judah möchte sie an sich binden. Ann-Hari ist verloren für ihre Familie, ihre Dorfgemeinschaft. Es gibt mehrere wie sie, einige Söhne, hauptsächlich aber junge Mädchen, auf die das Auftauchen dieser derben Malocher, das Stampfen und Schnauben der Lokomotiven wie ein Rauschmittel wirkt. Ihre Familien ringen die Hände, weil das junge Volk die Herden im Stich lässt oder zum Schlachten an die Eisenbahner verhökert, für geschnitzten Tinnef aus der Werkzeugkammer. Die Hirtenknaben gehen zu den Planierern und legen Flüsse trocken. Die Mädchen finden andere Möglichkeiten, dem neuen Götzen Reverenz zu erweisen.
    Ann-Hari ist nicht Judahs Mädchen, er kann sie nicht an sich binden. Als er sie aufgabelt, tragen ihre Wangen noch den rosigen Schimmer der ersten Begeisterung, und sie nimmt ihn und entledigt sich ihres Jungfernkranzes mit einer Leichtigkeit, die, er weiß es, wenig mit ihm zu tun hat. In den wenigen Tagen, die sie nur ihm gehört, bemüht er sich, etwas Großes daraus zu machen, die Liebe eines Lebens. Es ist keine Heuchelei, er liefert sich aus. Sie blickt über seine Schulter, während sie ihn reitet, hält Ausschau nach etwas anderem – nicht unbedingt etwas Besserem, nur anders eben. Mehr. Sie findet neue Freunde. Sie kommt zurück zu ihm, ins Dorf, und riecht nach dem Schweiß

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