Der eiserne Skorpion - Roman
der Luftschleuse, und das Wasser wirbelte um sie herum, als Dax die Kettenglastür aufschob.
»Gehen wir!«, rief er, und in seiner Stimme schwang etwas Seltsames mit.
Dax stieß sich ab und trieb ins Meer hinaus, und sein Anzug justierte sich sofort, um dem Auftrieb entgegenzuwirken. Cormac blickte auf den Meeresgrund sieben Meter unter ihm hinab; er war teils steinig, teils seegrasbewachsen, und Muschelbänke breiteten sich wie Kohlenstücke dazwischen aus. Als er sich abstieß, brach er etwas von einer Felskante unter der Schleusentür ab, drehte sich für einen Moment auf den Rücken und verfolgte, wie eine Kammmuschel stoßweise davondüste. In dieser Haltung blickte Cormac auf das zurück, was er von Tritonia sehen konnte. Zu beiden Seiten bog sich die gewölbte Außenwand von ihm weg, eine Wand voller Fenster, viele von innen beleuchtet und außen bedrängt von Meereslebewesen, die vom Licht angezogen wurden. Zur Rechten sah Cormac einen Roboter außen an der Wand entlangkriechen und dabei einen Reinigungsausleger nachziehen, um Rankenfüßer abzuschaben. Ein Schwarm Fische folgte ihm und bediente sich hungrig aus der Fülle an Schalentieren, die er ihnen bereitstellte. Die Maschine glich einer großen Aluminiumeidechse mit breitem, flachem Kopf und dem Maul eines Mantarochens. Sie war nichts, was man mit einem großen Eisenskorpion hätte verwechseln können. Cormac konzentrierte sich jetzt auf das Dach der Unterseestadt. Dort oben stand ein zweiter Meeresgrund bereit, und darauf spross ein Wald aus Seetang. Rings um die zahlreichen künstlichen Inseln und Ankerplätze tummelten sich Seeotter und schmausten von der Fülle an Seeohren.
»Komm schon, Nacktschnecke!«, rief Dax. »Beeil dich!«
Cormac wälzte sich erneut herum und ruderte kräftig mit den Füßen, um seinem Bruder zu folgen, der inzwischen tiefer gegangen war und über eine Austernbank hinwegschwamm, wobei er einen großen essbaren Krebs mit der Spitze der Harpune bedrohte. Sobald Dax sah, dass Cormac ihm folgte, stieß er sich ab und schwamm über den Krebs hinweg, der die Klaue hochreckte und rückwärts trippelte, bis er vom Rand der Austernbank fiel. Krebse waren seit über dreißig Jahren ein Schlager in den Küchen der Welt, und trotz der Exemplare aus den großen Genmod-Meeresfarmen überstieg die Nachfrage noch immer das Angebot. Cormac blickte auf das Krustentier hinab, während sich dieses wieder aufrichtete und drohend die Scheren hob. Es ähnelte sehr einem Prador, wobei die Unterschiede in Größe und Intelligenz lagen sowie in der Verteilung der Chancen, wer wen zu fressen bekam – auch wenn in den Netzen das Gerücht kursierte, dass manche Soldaten der Menschheit es mit einem neuen Menüpunkt in der Feldküche versuchten. Das war nach Cormacs Meinung nur fair, da die Prador keinerlei Hemmung zeigten, ihre Gerichte um Menschenfleisch zu ergänzen.
Den Beginn der Riffe markierte die Tesco III, die vor über zweihundertfünfzig Jahren von einem Marschlugkörper getroffen worden war, den Ökoterroristen abgefeuert hatten. Das geschah zu der Zeit, als das nahöstliche Öl sowohl zur Neige ging als auch von der Kernfusion abgelöst wurde. Cormac hatte sich etwas mit der Geschichte jener Epoche befasst, fand sie jedoch langweilig angesichts des sich immer neu wiederholenden Schwachsinns, wie er aus der politischen Korruption der Wissenschaft resultierte. Der mehr als drei Kilometer lange Öltanker war dermaßen von Meeresgewächsen zugewuchert, dass man ihn kaum noch als Schiff erkannte. An der Rumpfseite klaffte eine Öffnung für Taucher, die eine solche klaustrophobische Umgebung verlockend fanden und vielleicht Jagd auf die kolossalen Meeraale machen wollten, die sich in den dunklen Innenräumen herumtrieben. Dax steigerte seinen Auftrieb und stieg abrupt neben der Wand dieses Tankers empor.
»Nimm mich mit hinauf«, sagte Cormac und spürte sofort, wie er ebenfalls an Höhe gewann. Dabei bemerkte er, wie die Tätigkeit der Atemhilfe mit dem Druck abnahm. Er spürte noch weitere subtile Anpassungen, mit denen ihn der Taucheranzug vor der Druckveränderung schützte.
Er schwamm näher an die Klippe heran und betrachtete forschend die Korallen und die bunte Blütenpracht des Seegrases, das seine Existenz einem vor hundert Jahren grassierenden Fimmel für Meerwasser-Aquarien mit buntem Genmod-Seegras verdankte. Mittendrin entdeckte er eine Menge Einsiedlerkrebse. Die meisten hatten Unterschlupf in einer Vielzahl natürlicher
Weitere Kostenlose Bücher