Der eiskalte Himmel - Roman
gehen die Tran- und Blubbervorräte zur Neige, weshalb Worsley Order ausgibt, die Befeuerung der Kajütöfen auf ein Minimum zu reduzieren. So hocken bei Tag immer mindestens 20 von uns in dem überheizten Ritz aufeinander und schlagen die Zeit tot, bis es bibbern gehen, in die Koje kriechen heiÃt. Gehen wir schlafen, ziehen wir nichts von unseren Sachen aus. Wir ziehen an, was wir haben, Pullover, Jacken, Mäntel, Mützen, Schals und Stiefel. Und wenigstens einmal die Nacht, trotz Dreifachkleidung schlotternd, stakst ein jeder steif zurück an den Ofen im Ritz, wo er die Katze auf den Schoà nimmt, sich aufwärmt und den Lohn abholt, der dem Geist zusteht. Die Wache hat jedem nächtlichen Besucher einen heiÃen Becher Tee und einen Keks zu spendieren.
In einer dieser Nächte raubt mir zudem ein trockener Husten den Schlaf. Um Bakewell und Holness nicht länger lästig zu sein, setze ich mich knirschend und knackend auf, komme hoch und schlurfe endlich, nach einer Ewigkeit, durch den Mittelgang.
Was ist das für ein Rauch hier?, denke ich, bevor mir klar wird, dass es der Atem ist, den ich huste.
Sechs Wachen habe ich selbst absolviert, und schon wieder ist das Alphabet bei R. Rickenson ist an der Reihe. Sein Freund und Kollege Kerr sitzt bei ihm am Ofen und leistet ihm Gesellschaft. Maschinistenwache. Die beiden trinken Tee, teilen sich brüderlich die schnurrend vom einen zum andern wandernde Mrs. Chippy und plinkern sich in die winzigen Augen. Fünf Glasen vorbei, eine Stunde noch bis zur Ablösung. Und der Blizzard heult. Während ich allmählich auftaue, lauschen wir seinen zwei Stimmen. Seit Wochen fegt der Schneesturm um das Schiff, aber wie sehr er sich auch an den Aufbauten reibt und, weit oben im Dunkel, durch die Wanten jagt, er klingt immer gleich, mal heller, mal dunkler, heller und wieder dunkler. Fast empfinde ich manchmal Mitleid mit ihm, denn so einsam und seelenlos sollte nichts auf der Welt sein, nicht mal dieser Wind, der unmittelbar von den Sternen zu kommen scheint.
Mittlerweile ist mein Husten eingenickt. Ich schlürfe den Tee, den Rickenson mir gebrüht hat, und tunke den Belohnungsbiskuit hinein. So durch und durch von wohliger Wärme und köstlichem Geschmack erfüllt, ist es sogar schön, dass mein Gespensterkostüm Kerr und Rickenson ein Gesprächsthema eingibt: Waschen. Kleiderwäsche bei minus 50-Grad ⦠geht das denn?
Während Kerr unnötige Gedanken daran verschwendet, wie es zu bewerkstelligen sei, die gewaschenen Klamotten trocken zu bekommen, bevor sie zu Kleiderbrettern gefrieren, gibt sich Rickenson als Anhänger der Trockenwäsche zu erkennen.
»Einmal in zwei Wochen krempelst du den Plunder um, und fertig.«
Kerr sieht ihn verständnislos an. Was Rickenson ihm da vorschlägt, ob er es nun ernst meint oder nicht, scheint für ihn nicht vereinbar mit dem Berufsethos des Maschinisten. Des Ãls und des Schmierfetts, der Spuren der Arbeit sich wieder zu entledigen gehört für Kerr genauso zum Job wie die Pflege von Ventil und Pleuelstange. Nur, auch Rickenson ist ja Maschinist, und ein guter dazu. Müde und verwirrt forscht Kerr in den Zügen seines Freundes, ob der ihn auf den Arm nehmen will.
»Du hast ja ân Knall«, sagt er versuchsweise lustig.
Und Rickenson: »Nö, kein Stück. Aber ich rede auch nur vom letzten Schritt, bevor einem der Dreck wirklich auf den Pelz rückt, dann wenn man nichts mehr zu wechseln hat.«
»Klar. Aber noch haben wir ja genug Klamotten, und so soll es auch bleiben.«
»Hoffen wirâs.« Rickenson nippt an seinem Tee. Indem er die Katze krault, ruhen seine rot geriebenen Augen einen Moment lang auf mir, und mir dämmert, dass er keineswegs Spaà macht. Er spricht aus Erfahrung. Ein heftiges Rütteln läuft durch den Rumpf. Der Sturm wirft sich gegen das Schiff, und wir warten, bis die Bö die Kurve kriegt, ablässt, abhebt und weiterjagt.
Das alte Heulen ist zurück, und Rickenson sagt: »Du musst selber wissen, wie du es machst. Ich für meinen Teil halte es so, dass ich die dreckigen Sachen wegpacke, bis die, die ich anhabe, noch dreckiger sind, dann wirken die alten fast sauber, und ich ziehe sie mit Freuden wieder an.«
Ist das nun ein Ratschlag oder ein Geständnis? Kerr und ich zögern. Kerr benagt eine Daumenkuppe, er gibt mir Gelegenheit, mich zu äuÃern, und als ich das nicht
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