Der Elbenschlaechter
Vorgesetzten eher selten auf solche Weise reden hörte, hob interessiert die Brauen. »Was hast du gemacht, M.H.?« Er deutete auf den sonderbaren Faden, der jetzt noch metallischer glänzte als zuvor, beinahe wie Silberdraht. »Wird ihm dieses Ding viehische Schmerzen zufügen?«
»Nur, wenn er lügt.« Hippolit verschränkte die Arme und betrachtete voller Stolz sein Werk. »Die Schlinge der Wahrheit ist eine Kombination aus einem Telepathischen Prüfer und einem Quäler, den ich zusätzlich mit einem Schmerzverstärker der Stufe fünf angereichert habe. Spricht unser Freund wahr, geschieht gar nichts. Versucht er dagegen, uns an der Nase herumzuführen, wird sich die Schlinge zehntelzollweise straffer ziehen. Der physische Schmerz, der dabei verursacht wird, ist vernachlässigbar gering, die Schlinge ritzt nicht einmal die Haut. Das hat den Vorteil, dass die Behandlung im Normalfall keinerlei Spuren hinterlässt.«
»Keine viehischen Schmerzen?«, erkundigte sich Jorge enttäuscht.
»Das habe ich nicht gesagt. Auch wenn der Zug der Schlinge kaum kräftiger ist als der eines Schuhbandes, wird der Schmerzverstärker dafür sorgen, dass Ulph den Eindruck hat, von zwei kräftigen Trollen mit einer Astsäge in der Mitte entzweigeschnitten zu werden!«
»Ein hübsches Bild«, fand Jorge.
»Du hast meine Worte gehört«, wandte sich Hippolit an Ulph. »Was weiter passiert, liegt völlig in deiner Hand. Du allein regelst das Quantum deiner Qualen. Hast du das verstanden?«
Ulph starrte ihn mit vor Hass sprühenden Augen an, nickte nicht.
»Ich denke, das können wir getrost als ›Ja‹ werten.« Hippolit griff in sein Gewand und zog einen kleinen, in schwarzes Leder gebundenen Notizblock hervor. Er klappte ihn auf, blättertekurz darin, dann nickte er zufrieden. »Fangen wir mit etwas Einfachem an: Hast du, Ulph, in jeder der Nächte, da es in Foggats Pfuhl zu den ungeklärten Morden kam, einen Fahrgast befördert – ein und denselben Falirgast? Ungeachtet dessen, ob du gerade Dienst hattest oder nicht?«
Der Chauffeur zögerte, in seinen Augen irrlichterte es. Als nichts weiter geschah, fasste er neuen Mut. Er schüttelte den Kopf und sagte laut vernehmlich: »Nein!«
Ein verstohlenes, metallisch schabendes Geräusch.
Urplötzlich kreischte Ulph auf, als habe jemand unter der Sitzfläche seines Stuhls ein Feuer angefacht. Schultern und Arme zuckten in spasmodischen Krämpfen, sein Gesicht färbte sich schlagartig rot. Er schrie aus Leibeskräften.
Verwundert beugte sich Jorge näher und inspizierte die silberne Schnur, deren Sitz um die Brust des Gefesselten sich nicht verändert zu haben schien. »Es passiert überhaupt nichts«, stellte er fest.
Ulphs ohrenbetäubendes Gekreisch strafte seine Worte Lügen.
»Warum quiekt er so?«
»Ich sagte doch: Die Veränderung erfolgt graduell, in winzigen Schritten. Aber der Schmerzverstärker potenziert sie um ein Vielfaches.«
»Nehmt es weg! Macht, dass es aufhört! Der Schmeeeerz! Es soll AUFHÖREN !«
Jorge lachte anerkennend. »Kein schlechter Trick. Wer denkt sich so was aus?«
»Mit Verlaub: ich.« Hippolit blickte bescheiden zu Boden. »Die Schlinge war ursprünglich ein reiner Indikationszauber, eine Art Lügendetektor. Die Verquickung mit dem Schmerzverstärker war meine Idee; sie wurde vor gut dreißig Jahren ins VKS aufgenommen, das Verzeichnis Kriminologischer Standardsprüche der Thaumaturgeninnung. Aufgrund der Missbrauchsgefahr ist die Anwendung des Spruches allerdings nur mit Sondergenehmigung gestattet.«
»Saubere Leistung, M.H.!« Jorge warf dem nach wie vor greinenden und stöhnenden Ulph einen Seitenblick zu. »Und wann hört er wieder auf?«
»Der Zug reduziert sich automatisch, sobald er die Wahrheit sagt.« Hippolit wandte sich an den Chauffeur. »Hast du gehört? Der Schmerz wird nachlassen, wenn du wahrheitsgemäß antwortest.« Er hob die Stimme. »Noch einmal: Hast du in jeder der Mordnächte denselben Fahrgast befördert?«
Diesmal verging keine Sekunde, bis Ulph wild zu nicken anfing. »Ja, verdammt! J A ! Blaak, ich habe denselben Mann gefahren. Und jetzt, bitte …« Er atmete ein, ein hohles, pfeifendes Geräusch. Dann entspannte sich seine Miene mit einem Mal merklich. »Oh, Lorgon, ich danke dir!«
»Danke nicht unserem Schöpfer! Danke dir selbst, dass du besonnen genug warst, endlich mit der Sprache herauszurücken.« Zufrieden machte sich Hippolit mit einem dünnen Kohlestift eine Notiz auf seinem Blöckchen. »Weiter
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